Ganz wichtig. Der sichtbare Daseinsberechtigungsausweis für die KVB.

Ganz wichtig. Der sichtbare Daseinsberechtigungsausweis für die KVB.

Ach ja, Köln. Die Bevölkerung, der Dialekt und das Verhalten der Einheimischen, und vieler Immigranten, sind oft ausgesprochen unterhaltsam. Die Grundhaltung des Kölners ist positiv. Motto: es ist noch immer gut gegangen. Und irgendwie wird es schon weitergehen. Dieses Irgendwie ist stets präsent in dieser Stadt.

Der Kölner ist positiv und meist sehr freundlich, auch zu auswärtigen Besuchern. Er kann sich auch sehr gewählt ausdrücken. Wenn er denn will. Oder auch nicht. So wird der Ausdruck „Hackfresse“ relativ häufig als leichte bis mittelschwere Beleidigung von Mitmenschen mit nicht ganz ästhetisch-symmetrischem Gesicht oder auch generell als abwertende Beurteilung benutzt. Relativ neu war mir die begriffliche Alternative „Mettschnute“. Diese fällt eher in die Kategorie gewählt-verharmlosende Beleidigung. Letzterer Begriff vernahm ich übrigens das erste Mal an der Fleischtheke eines Supermarktes. Dort macht das ja, rein handwerklich, auch durchaus Sinn.

Ich nutze oft und gerne die Angebote der örtlichen Verkehrsbetriebe. Regelmäßig sind Abweichungen von den Online-Fahrtzeiten zu den an der Haltestelle angezeigten Fahrtzeiten vorhanden. Wie ich gelernt habe, ist auch dieses Ungefähre ein wichtiger Teil der Kölner Folklore. Dazu gehören auch Angaben zu Baukosten und Fertigstellungstermine von U-Bahnstationen, Opern oder anderer langfristig geplanter Vorhaben. Doch zurück zu meiner geliebten KVB. Sobald ich eines deren zahlreicher Verkehrsmittel besteige, nehme ich am prallen kölschen Dasein teil.

Ein Beispiel: Kurz nach meinem Umzug nach Köln vor einigen Jahren war ich mit dem Bus in Richtung Innenstadt unterwegs. Der Fahrkartenautomat im Bus war außer Betrieb und ich frug den Busfahrer, ob ich bei ihm ein Ticket erstehen könnte. Er blaffte mich in einem fremdartigen, für mich unverständlichen Kölner Stadtteilakzent an, und zeigte auf ein Schild mit dem Aufdruck „Den Fahrer während der Fahrt nicht ansprechen.“ Die spontane Erkenntnis: in Franken sprechen die Einheimischen nicht, weil es sich gegenüber Auswärtigen so gehört. In Köln sprechen die Einheimischen immer mit Auswärtigen, das Ergebnis kann aber sehr ähnlich ausfallen.

Letztes Jahr war ich mit einem Bus der Linie 132 in Richtung Hauptbahnhof unterwegs. Auf der Bonner Straße war der Bus von einem Autofahrer beim Abbiegen leicht touchiert worden. Das erfuhr der aufgeweckte Busfahrer aber erst durch den Hinweis eines Fahrgastes einige Sekunden nach dem Vorfall. Der Busfahrer fuhr daraufhin rechts ran, nur etwa 20 Meter vor der nächsten Haltestelle entfernt, und stellt den Warnblinker an. Und dann – nichts. Fragende Gesichter im Bus. Nach gefühlt etwa drei unendlichem Minuten ging ein Fahrgast nach vorne und fragte den einheimischen Fahrer nach dessen Plänen zur eventuellen Fortsetzung der Fahrt. Die seelenruhige Antwort: er müsste hier warten, bis jemand zur Aufnahme des Schadens da sei. Das etwa 20 Personen im Bus saßen, die sehr gerne ihre Reise fortsetzen wollten, und deshalb vielleicht eine klärende Durchsage angebracht wäre, kam ihm nicht den Sinn. Immerhin durften dann alle Insassen aussteigen und die letzten Meter zur nächsten Haltestelle zu Fuß zurücklegen.

Unterhaltsam auch eine Fahrt von Bonn nach Köln mit der U-Bahn. Weil wieder mal ein Brand in einem der Chemiewerke am Rhein schwelte und beeindruckende pechschwarze Wolken in unmittelbarer Nähe der Schienen produzierte, wurde die Fahrt auf halbem Wege abgebrochen und ein Schienenersatzverkehr eingerichtet. Soviel könnte ich der etwas abgehackten Durchsage des Zugführers entnehmen. An der spontan festgelegten Endstation angekommen, verließ dieser seine Kabine, schloss den Zug ab und verschwand schnellen Schrittes, fragenden Fahrgästen dabei geschickt ausweichend. Durch Einsatz der Handy-Navigationsfunktion gelangten die etwas genervten KVB-Kunden zu einer Bushaltestelle, an der tatsächlich ein Bus Richtung Köln auftauchte. Fragen von Fahrtgästen nach dem richtigen Weg bzw. Umsteigezeiten zu Ziel ABC konnte der Busfahrer nicht beantworten, da er normalerweise nur im Kölner Norden unterwegs sei.

Manchmal gibt es auch Entertainment ohne Worte seitens eines Kunden. Regelmäßig sehe ich an der Haltestelle Barbarossaplatz eine etwa 20 Jahre junge Frau mit mittellangen braunen Haaren zusteigen. Das ist an sich nichts Besonderes, besonders ist aber wie sie es macht. Die U-Bahn hält, sie geht zur nächsten Tür, stellt sich genau mittig und dicht vor den Einstieg, blickt unbeirrt mit gesenktem Kopf auf ihr Handy und macht keinerlei Anstalten, den Knopf zum Öffnen der Tür zu betätigen. Geht die Tür dann auf, weil einer der umstehenden Leute nach einer Anstandssekunde den Knopf betätigt, bleibt sie noch eine Achtelstunde stehen, bis sich die ersten umstehenden Wartenden vorbeidrängen wollen und betritt dann die Bahn, wodurch sich dann drei Menschen gleichzeitig im Einstieg befinden. Das sieht eng aus und ist es auch. In den Gesichtsausdrücken der Fahrgäste lassen sich dann Gefühlsregungen von Überraschung bis hin zu spontanen Mordgedanken ablesen. Beim nächsten Mal werde ich ihr die Tür öffnen und sie bei der KVB herzlich willkommen heißen.