Ach ja, wieder mal ein Thema für die Kategorie Frauen in diesem Blog. Aus einem eigentlich recht lockeren Kaffeeplausch mit einer Freundin entwickelte sich überraschend eine Diskussion über das Thema Pünktlichkeit. Frauen und Pünktlichkeit. Aua.

Die sehr nette Ausgangssituation: Wir sitzen in einem gemütlichen Café in der Kölner Innenstadt. Es gibt viel zu erzählen, wir haben uns ein paar Monate nicht mehr gesehen. Nach einer Weile haben wir uns bei den neuesten Entwicklungen bei der Partnersuche und –Findung im Freundeskreis, Vor und -Nachteile des Online-Datings, das erste Date und wie Mann es versaut und Frau es (manchmal) rettet, festgequatscht. In einem unbedachten Nebensatz wage ich es, die Flexibilität verschiedener Frauen bei fest terminierten Verabredungen zu erwähnen. Offenbar trifft das einen Nerv bei meiner aufmerksamen Gesprächspartnerin.

Sie nippt an ihrem Tee, sieht mich schweigend an, dann suchen die Augen einen Punkt irgendwo rechts über mir. Ich denke bei mir Jetzt kommt bestimmt etwas Wichtiges. Dann sagt sie: „Das ist doch eines dieser ewigen Klischees: Frauen kommen immer zu spät, Frauen sind unzuverlässig, bla bla bla… . Wenn man sich gut kennt und den oder die Andere gut einschätzen kann, weiß man um ihre Stärken und Schwächen. Für manche Menschen (Sie meint: Frauen!) sind Zeitangaben eben nur eine Orientierung, die sie flexibel in ihrem vollgepackten Tagesablauf anpassen. Sofern es sich um Aktivitäten in der Freizeit handelt. Dann sollte man nachsichtig sein. Vielleicht ist es auch ein bisschen eine Frage der persönlichen Organisation… .“

Sie grinst. Das ist diese Frauen-lesen-die-Kolumne-des-Hauspsychologen-ihrer-Lieblingsfrauenzeitschrift-Logik. Mein Kopf analysiert diese Sätze eine ganze Sekunde lang  und teilt mir dann das Ergebnis mit: Sämtliche Verspätungen wären damit völlig unwichtige Begleiterscheinungen, die Mann gerne hinnimmt oder sogar von Frauen erwartet. Ich beschließe, unter einem Pseudonym auch so eine Kolumne zu schreiben und damit reich zu werden.

Ich: „Kein Mensch (ich meine: kein männliches Wesen) erwartet bei einer Verabredung mit einer netten Frau zum Kaffee, dass sie auf die Minute pünktlich erscheint. Es kann sogar charmant sein, wenn eine Frau ein paar Minuten später erscheint, um dem Mann die ausführliche Lektüre seiner Lieblingszeitung zu ermöglichen. Ein paar Minuten heißt aber nicht 30, 60 oder gar 120 Minuten zu spät. Schon gar nicht, wenn diese Verspätung regelmäßig, oder sagen wir: bei jeder Verabredung vorkommt.“

Sie: „Soweit ich mich erinnere, habe zumindest ich dich immer per SMS über eventuelle Verspätungen informiert. Und du hast nie gesagt oder angedeutet, dass dies ein Problem gewesen ist.“

Ich (komme langsam in Fahrt): „Du hast mich immer informiert, sofern dein Handy noch Saft hatte oder du die Verabredung nicht beim Shoppen vergessen hattest. Oder dich in der Stadt geirrt hast.“

Sie beugt sich vor und streckt mir einen Zeigefinger entgegen: „Das ist ein Mal vorgekommen! Und es ist vielleicht ein oder zwei Mal vorgekommen, dass das Handy alle war. Du bist total ungerecht!“

Ich: „Ja, es ist bei dir ein, zwei Mal vorgekommen. Wir sehen uns aber auch nur vier, fünf Mal im Jahr. Wenn es hochkommt. Aber ich toleriere das ja. Bei anderen Frauen ist Zuspätkommen eher die Regel. Wenn ich alle Verspätungen des letzten Jahres zeitlich aufrechne, habe ich in dieser Zeit etwa 50 % meines gesamten Kaffeekonsums geschafft. Hat also auch Vorteile.“

Sie (im schnippischen Tonfall): „Also sind die angeblichen Wartezeiten doch nur ein willkommener Vorwand, um deine dämliche Kaffeeabhängigkeit zu pflegen und deinen Magen endgültig zu ruinieren.“ (Rührt demonstrativ ihren grünen Tee um.)

Ich: „Nein. Du lenkst ab. Es gibt bei vielen Frauen mit Sicherheit einen Zusammenhang zwischen andauerndem Zuspätkommen bei Verabredungen und dem selbstgewählten und sehr großen Freundeskreis. Offenbar neigen diese Frauen einerseits zu einem sehr großen Aktionismus was Verabredungen und Freunde treffen angeht. Andererseits können sie nicht alleine sein oder sich ein paar Stunden mit sich selbst beschäftigen. Und dann reiht sich eine Verabredung an die andere. Hauptsache jemand ist in der Nähe. Und wenn die erste Verabredung etwas länger dauert (oder beim Shoppen verfliegt), wird es bei den anderen Terminen eben zeitlich knapp. Und der Letzte kriegt eine Entschuldigungs-SMS. Wenn er Glück hat.“

Sie lehnt sich zurück, umkrallt ihren Teebecher mit beiden Händen, hält den Becher in Höhe der Lippen und fixiert mich. Die Augen sind rundherum schwarz geschminkt. Ihre Fingernägel sind Feuerrot. Sie sieht gut aus. Allerdings kocht sie jetzt innerlich bestimmt. Sie trägt immer noch den dicken, beigefarbenen Wintermantel, obwohl es hier drin mindestens sommerliche 25 Grad sind. Ich habe die Ärmel meines Hemdes schon längst hochgekrempelt. Mein Gefühl sagt mir, das eine Eskalation der Situation jetzt zum Greifen nahe ist. Und die Greifer haben rote Nägel. Egal, das muss ich jetzt wohl durch.

„Oho, fühlt sich der Herr etwa schlecht behandelt? Es stimmt, viele Freunde zu haben und Freundschaften zu pflegen, das kostet Zeit. Das ist gut investierte Zeit. Das ist so.“

Es folgt eine Pause mit Ausrufezeichen. Auf den wesentlichen Punkt ist sie nicht eingegangen. Hat also auch nicht widersprochen. Deeskalieren könnte jetzt helfen.

Ich: „Das ist ja auch vollkommen in Ordnung. Mir geht es ja auch um die Nebenwirkungen. Ich wollte dich damit auch nicht ärgern.“

Zu spät.

Sie bläst auf die Oberfläche des immer noch dampfenden, heißen Tees. Es geht nicht um die Abkühlung des Tees, sondern um Rache. Der Geruch steigt mir in die Nase. Widerlich. Das macht sie absichtlich. Das grüne Zeug gehört auf den Komposthaufen. Am besten vor Gebrauch. Bei diesem netten Gedanken muß ich wohl lächeln. Jedenfalls sieht sie mich an und meine Mimik scheint auszureichen, ihre Erregung noch zu steigern.

Ich: „Wie würdest du das nennen, in schöner Regelmäßigkeit immer die gleichen Freunde warten zu lassen? Aus meiner Erfahrung sind es immer Frauen und es kommt immer die gleiche Entschuldigung.“

Sie (ohne mich anzusehen): „Ich erinnere mich, dass du vor ein paar Jahren auch regelmäßig zu spät zu abendlichen Verabredungen erschienen bist.“

Ich: „Ja, das waren allerdings selten mehr als 15 Minuten. Es war immer unter der Woche und ich musste auf den letzten Drücker vom Büro aus mit dem Auto in die Kölner Innenstadt.“

Warum erzähle ich das? Warum rechtfertige ich mich überhaupt? Schön durchatmen.

Ich: „Ich weiß: Mein Zeitmanagement hat auch Schwächen. (Sie sieht mich an und hebt kurz die Augenbraunen.) Ich lerne auch dazu. Kürzlich wurde ich von der Gastgeberin einer Party gerügt. Weil ich pünktlich erschienen war! (Sie hebt erneut die Augenbrauen. Diesmal etwas länger und etwas höher. Offenbar ist sie noch nie zu früh auf einer Party erschienen.) Anscheinend kreuzt man bei einer Party, die von einer Frau ausgerichtet wird, frühestens eine halbe oder besser eine Stunde nach dem offiziellen Startzeitpunkt auf. Wie ich gelernt habe kommt niemand pünktlich, weil die Gastgeberin dann noch nicht fertig geschminkt und somit nicht vorzeigbar ist. Und dann kann sich der erste, überpünktliche Gast anhören, wie schlimm sie aussieht, weil sie sich die Haare und die Nägel nicht machen konnten. Tja, drei Stunden sind dafür einfach zu kurz.“

Ups, der letzte Satz kam nicht gut an. Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen. Ihr wirklich schönes, langes und sehr schwarzes Haar rahmt ihr Gesicht ein.

Sie stellt ihre Tasse ab, blickt auf die Uhr. „Es wird Zeit für mich. Ich muss auf dem Weg zum Bahnhof noch was besorgen. Lass uns weiterquatschen wenn du Anfang April vorbeikommst.“

Sie steht auf, ein kurze Umarmung, dann nimmt sie ihre bereits sehr gut gefüllte Einkaufstasche, geht die paar Meter zum Ausgang, dreht sich in der Tür kurz um, hebt den Zeigefinger und sagt: „Sei pünktlich!“

Ich salutiere. Sie nickt mir zu und verschwindet dann eilig in Richtung Fußgängerzone.