So vergeht die Zeit wohlig langsam. Seit Stunden liege, hocke und fläze ich mich nun auf dieser grünen Picknickdecke hin und her. Richtig bequem ist es nicht.  Also ist ein regelmäßiger Stellungswechsel vonnöten, um die Funktionsfähigkeit der Extremitäten zu gewährleisten.

Die Ausnahme ist die stabile Rückenlage. Die ist angenehm, verführt aber auch zum ungeplanten Einschlafen. Dem stehen die Gespräche in, beziehungsweise auf meinem direkten Picknickdeckenumfeld gegenüber. Sobald ich angesprochen werde,  muss ich mich zwangsläufig wieder aufrichten. Sonst ist ja kein Gespräch auf Augenhöhe möglich. Von unten nach oben reden ist doof. Andersherum ja auch.  Also richte ich mich immer wieder auf. Das hört sich vielleicht komisch an, ist aber aber so.

Kaum bin ich wieder in der Hocke angekommen, werde ich zum fünften mal an diesem Nachmittag gefragt, ob ich noch ein Taschentuch übrig hätte. Bei den Mädels drückt die Blase. Und ohne sauberes Taschentuch ist eine Expedition in die wenigen blickdichten Gebüsche des Parks nicht vorstellbar. So opfere ich auf Anfrage nach und nach eine halbe Packung Taschentücher und zwei jungfräuliche Stücke Küchenpapier. Normalerweise gebe ich das Küchenpapier nur ungern aus der Hand. Weil ich es zum Brillen putzen brauche. Aber hier geht es um Notsituationen. Ich werde auch mit leicht angeschmutzter Brille nach Hause finden. Zur Not muß ich mir den Weg mit den Händen ertasten.

Mit der Herausgabe der Taschentücher ermögliche ich allerdings indirekt eine Bewässerung der Gebüsche in diesem Park mit Flüssigkeiten, die restalkoholische Bestandteile enthalten. Ich hoffe nur, dass das keine negativen Folgen für das Wachstum der Sträucher hat. Andererseits muss die Flüssigkeit ja irgendwohin. Den Mädels in der Schlange vor dem Klo steht das Pipi jedenfalls teilweise schon oberhalb der Pupille.

Ein paar Mitglieder unserer Picknickdeckengruppe kommen von der Tanke wieder. Der Getränkenachschub ist gesichert. Ich darf eine Weißweinflasche mit einem Schweizer Allzweckmesser öffnen und schaffe dies nach ein, zwei Fehlversuchen. Ohne Verletzungen, dafür mit hämischen Kommentaren. Natürlich von denen, die nachher das meiste bechern. Der Wein wird in Pappbecher umgefüllt und Eis in großzügiger Menge hinzugegeben. Der Wein und das Eis weichen den Pappbecher schnell auf. Da kommt direkt Zeltplatzstimmung auf der Picknickdeckengruppenfläche auf .

Die Berlinerin ist zur Stelle mit dem ersten gefüllten Becher. Vor dem Anstoßen mit dem weinhaltigen Kaltgetränk kommt es überraschend zu einem Wortwechsel mit fast schon lyrischen Inhalten. Sie fordert mich auf, mit dem Ausruf des Gegenstücks zu Prost-tata mit ihr anzustoßen.

„Aha?“

Ich denke angestrengt nach. Eine weibliche Prostata gibt es nicht, so viel ist mir klar. Also muss folglich ein anderes Körperteil gemeint sein. Ich gehe die Körperteile in unmittelbarer Umgebung des weiblichen Gesäßes gedanklich durch und verbinde diese Körperteile mit dem Wort Prost. Die Ergebnisse erscheinen mir so dämlich und Trinkspruchfern, dass ich sie lieber für mich behalte. Sie wird ungeduldig.

„Na komm, det musst du doch wissen. Det ist doch offensichtlich!“

Der Druck in mir steigt. Welches weibliche Körperteil könnte dem Klang oder dem Namen nach als Einleitung für Trinkgelage dienen? Hätte ich zwischendurch einen Kaffee geholt, wäre das Rätsel bestimmt schon gelöst. Aber ich habe mir vorab keinen Kaffee geholt und jetzt arbeiten die Gehirnzellen mühsam gegen Saarländisches Zwickel-Bier an. Und ich musste mich erst vor wenigen Sekunden aus der bequemen Liegend-Position aufrichten. Also drastisch erschwerte Bedingungen.

Sie blickt mich durch schwarze Sonnenbrillengläser an. Ich blicke durch Brillengläser fragend zurück. Und dann spricht sie des Rätsels Lösung aus

„Brust!-Tata!“

Ihre Augen leuchten. Das ist auch durch die Sonnenbrille gut zu erkennen.

Nochmal

„Aha!“

von meiner Seite.

Brust!-Tata ist also das gesuchte Gegenstück zu Prost!-Tata?

Gut, da wäre ich auch mit einer vorherigen Koffein-Vollbedienung nicht drauf gekommen. Auch nach mehreren Hinweisen von ihr bin ich nicht auf diesen, aus ihrer Sicht doch so naheliegenden, Ausdruck gekommen. Ich gebe es ja zu: Ich habe der Gender-Thematik in Bezug auf Trinksprüche bisher zu wenig Bedeutung beigemessen. Und ich halte mich an Samstagen nicht so oft in Kölner Parks auf Picknickdeckengroßflächen auf. Schande über mich. Das muss ich wohl beim nächsten Mal mit einem eigenen lyrischen Beitrag ausgleichen.

Na dann:

Brust!-Tata!“