Ist das schön. Ich stehe hier an der Rheinuferstraße und warte. Mit mir warten unzählige Autofahrer, Motorrad- und Radfahrer. Und natürlich Fußgänger. Wir warten darauf, dass die Linie 17 der KVB die Straße quert. Warten, das ist ungeplante Freizeit. Fast schon Urlaub. Ich finde das großartig.

Man könnte das alles kaputt machen, einen Tunnel graben, die Linie 17 unterirdisch dem Straßenverkehr entziehen. Aber dann wären diese Minuten der Ruhe weg. Diese Inseln der Erholung inmitten unserer hektischen Zeit. Entschleunigung heißt dieses Prinzip. Die Stadt Köln wendet es seit Jahren konsequent an. Gerade bei baulichen Großprojekten. Da wo es wirklich Sinn macht. Ein klare Gegenposition gegen all den Effizienz- und Optimierungswahn, der unser Leben mehr und mehr bestimmt.

Großprojekte werden in Köln grundsätzlich nur maximal drei Jahre in die Zukunft vorausgeplant. Und dann wird neu geplant. Aus gutem Grund. Wer weiß denn, wie viel Geld in drei, vier Jahren im Stadtsäckel ist? Oder ob dann überhaupt noch was drin ist? Eben. Das weiß doch keiner.

Wer plant, macht Spontanität unmöglich. Wie viel wunderbare Lebensfreude entspringt tagtäglich aus der Spontanität der Kölner? Stringenz und Disziplin würden alles nur kaputtmachen. Und die Rheinländer könnten ihre größte Stärke nicht mehr ausspielen:  Die Improvisation. Dieses großartige Talent würde verkümmern. Undenkbar. Schließlich ist es noch immer gut gegangen.

Wo kommen wir da hin, wenn alles im Detail durchgeplant wäre? Die Oper wäre fertig, okay. Die Stadt würde ein paar hundert Millionen Euros weniger ausgeben, okay.

Aber die Kölner Seele würde in diesem neuen, perfekten, rechtzeitig fertiggestelltem Gebäude fehlen. Es wäre ein kaltes, ein unwirtliches Gebäude. So was wäre völlig fehl am Platz in der Kölner Innenstadt. Der einzige Ausweg wäre ein sofortiger Abriss. Und was das wieder kosten würde. Das kann doch nun wirklich niemand ernsthaft wollen!

Außerdem: Die Lokalpresse hätte neben dem 1.FC kein Thema, über das sie so ausführlich und erschöpfend berichten könnte. Mal ehrlich: Wie viele Leute gehen tatsächlich in die Oper und bezahlen auch noch den vollen Preis? Für dieses unverständliche Geschrei, bei dem man nicht mal mitsingen und -schunkeln kann? Seien wir realistisch: Das steht doch in keiner Relation zum Unterhaltungswert eines Bauskandals.

Natürlich hat Köln ein paar lokale Besonderheiten, die Planungen grundsätzlich ein wenig erschweren. So ruhen zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch alle Tätigkeiten, die Umsatzbeschränkungen für die Kölsch-Brauereien mit sich bringen würden. Das ist auch richtig so. Die lokale Wirtschaft muss tatkräftig unterstützt werden.

Der Planungs-Entwurf zum Ausbau der Nord-Süd Stadtbahn hat übrigens den Titel:

Wir planen drei plus drei mal X / das ist ziemlich lang / das macht aber nix.