Seit längerem war für dieses Wochenende ein Meilenstein meines „Körper und Geist-Trainingsprogramms für ehemals attraktive Männer, die jetzt auch schon länger über 40 sind“, geplant. In den letzten Wochen hat mir gefühlt jeder Knochen meines Körpers mehrfach mitgeteilt, das sich etwas ändern muss.
Und zwar nicht auf die Weise „Alter, mach mal langsam“, sondern eher „Jetzt ist Schluss!“.
Also war an diesem Wochenende die bisher schwerste Übung dran. Die, die ich immer weiträumig umgangen habe. Ich wusste intuitiv: Da werde ich Grenzen überschreiten. Und ich kenne meine Grenzen ganz gut.
Die Mutter aller Übungen wollte bewältigt werden.
Stillsitzen. Nix denken. Achtsamkeit üben.
Gut, eine Temperatur von schlappen 35 Grad im Schatten macht jede körperliche Betätigung sowieso zu einer Qual. Aber das Wetter scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein, diese Übung durchzuziehen.
In der Vergangenheit bin ich regelmäßig an dieser Übung gescheitert. Oder sagen wir besser: Meditation. Da fehlte offenbar die, äh, Übung. Oder der Wille? Braucht man den Willen zu Entspannung?
Stillsitzen? Ja, dass geht. Für ein paar Sekunden.
Nichts denken? Das geht auch. Für Bruchteile einer Sekunde. Wenn es hochkommt.
Und Achtsamkeit? Ja, ich meine kognitiv verstanden zu haben was das ist.
Also gut. Es weht ein leichtes Lüftchen auf dem Balkon. Das ist ein sehr warmes Lüftchen, welches die Hitze auch in den letzten Winkel treibt. Natürlich habe ich einen ausreichend großen Wasservorrat für die Übung vorbereitet.
Der Gartenstuhl mit bequemen Stoffüberzug steht in Position. Ich spüre die Anspannung, die meinen Körper seit ein paar langen Tagen schon erfasst hat. Aber ich ziehe das jetzt durch. Egal was kommt.
Ich atme tief ein- und aus.
Ich setze mich hin.
Ich sitze.
Bis hierhin ist alles ok.
Ich atme. Gleichmäßig.
Mein Blick geht in den Garten. Links liegen abgeerntete Kornfelder. Rechts die leere Straße. Ein paar Autos stehen in der prallen Sonne und werden geröstet.
Der Kopf arbeitet. Gedanken, meist negative, wollen Aufmerksamkeit. Wie war das noch gleich?
Genau: Was denkt es in mir? Ich nehme den Gedanken zur Kenntnis und lasse ihn ziehen.
Das gelingt mir heute aber nicht. Dafür bin ich innerlich viel zu aufgewühlt. Aber die Hitze hilft mir. Alles wird langsamer. Auch die Gedankengänge.
Ein weiterer Gartenstuhl ist in Reichweite
Ich lege meine Beine hoch. Die haben schließlich in den letzten Monaten mit am meisten gelitten. Ich spüre sofort die weiche Auflage und wie sich die Körperhaltung verändert. Der Schwerpunkt liegt tiefer. Mein durch die Sonnenbrille abgedunkelter Blick geht nach oben. An die gestreifte Markise.
Was mache ich mit den Armen? Auf die Lehne legen? Runter hängen lassen? Der Kopf arbeitet immer, noch. Ein „Aus“-Schalter wäre was feines.
Stopp! Entspann dich! Du bist zu Hause. In Sicherheit.
Ich atme tief ein und aus. Diesmal geht der Atem ganz tief nach innen. Es hört sich fast an wie ein erschöpfter, langgezogener Seufzer.
Ich drehe den Kopf noch ein paar Mal hin und her. Es muss doch eine bequeme Position geben.
Gibt es. Die Erschöpfung besiegt die Gedanken.
Schlaf.
Als ich die Augen wieder aufschlage, ist die Sonne schon so tief, dass meine Beine bis zu den Knien in Licht baden. Und das ist des Guten zu viel. Gegrillt wird erst später.
Ich strecke mich und genieße die Müdigkeit, die den Körper noch im Griff hat. Dann wechsle ich auf die andere Seite des Balkons. In den Schatten. Und der Kopf ist leer.
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