Es gibt Produkte, die treten nur in sehr bedürfnisorientierten Situationen ins Bewusstsein des Konsumenten. Dazu gehören Kondome, Ersatzreifen und Toilettenpapier.

Kürzlich stand ich in einer langen Schlange vor der Kasse einer Drogerie. Die Schlange schlängelte sich mürrisch durch den halben Laden. Mein Standort befand sich am Ende eines Ganges. In diesem wurden verschiedenste Sorten Toilettenpapiere dem Drogerie-Publikum darboten.

Auf den ersten Blick war alles nach Farben sortiert. Unten lagen die grauen Papiere, etwas höher die Weißen und im obersten Regal, auf Augenhöhe, war das Angebot bunt. Schreiend bunt. Viel gelb, pink und etwas blau. Da kam schon etwas Eisdielenfeeling rüber.

Bisher dachte ich immer, die Anzahl der Papierlagen bestimmt die Weichheit. Und der Grad der Weichheit den Preis. Das war gestern. Heute ist es komplizierter. Jede Zielgruppe hat nun eine eigene, genau auf die Zielgruppenbedürfnisse abgestimmte, Zellstoffkombination. Und innerhalb dieser Zellstoffkombination werden die potentiellen Zielgruppen noch mal individuell angesprochen. Das passiert meines Wissens mit allen hippen Produkten. Das war vor zwei Jahren beim Prosecco der Fall, letztes Jahr beim Gin und jetzt sind die kurzfaserigen Papiere mit rektalem Reinigungsvordergrund an der Reihe.

Was haben wir den hier? Dreilagiges Recyclingpapier für die preissensitiven Schleifpapierliebhaber. Das dreilagige „Von zart bis hart“-Allrounderpapier.  Vierlagig für die „Ich tu mir was Gutes“-Anhänger oder „Ist ja bald Feiertag“-Selbstbelohner. Es gibt fünflagiges Papier für Menschen mit hohem Bedürfnis nach Komfort oder auch für sehr sensible Menschen, die Berührungen scheuen, aber doch einen gewissen Reinigungseffekt haben wollen. Und fünflagiges, hautstreichelnd-zartes Mild-Toilettenpapier für creme-weichem Komfort nach dem Abgang. Sicherlich ein Spitzenprodukt.

Der eisenharte Wettbewerb im Segment der Einmal-Klopapiere zwingt die Hersteller zu stetigen Neuerungen. Bisher war die Weichheit des wesentliche Qualitätsmerkmal. Nun  wird zunehmend auch mit Duft- und Geschmacksvarianten geworben. Beliebt sind Mandelmilch, Kokos, Frühlingsblüten und Marihuana. Feuchtes Papier wird gern mit den sprechenden Produktnamen wie „Meeresbrise“,  „Sensitiv – Das Beste für das Baby“ oder „Nach dem fröhlichen Altstadtbesuch“  beworben.

Dazu kommen noch Varianten für spezielle Bedürfnisse und Gelegenheiten. „Latte Macchiato mit extra viel Milchschaum“, die sanfte, vierlagige Variante in weiß-cappucinofarbenem Design für gestresste junge Mütter (kann aufgrund der hohen Saugfähigkeit auch zum Aufwischen von klebrigen Nahrungsmittelresten verwandt werden. Lässt sich gut knüllen).

Es gibt koffeinfreies und abriebfestes Toilettenpapier für gestresste und bereits magengeschädigte Espressotrinker. Vor und an Karneval gibt es „Limited Editions“ von namhaften Brauereien in Form übergroßer Getränkedosen. („Es zischt beim Öffnen und du spürst, hier bist du zu Hause!“). Diese können bequem nach Hause gerollt werden und wirken auch als Deko bei Partys nicht deplaziert. Nach Karneval ist für ein paar Tage die Variante Alkoholfrei und ergiebig sehr beliebt.

Ich entscheide mich gerne für das dreilagige Classic im Zehnerpack. Das ist zwar nicht immer sanft, passt aber genau in die Nische oberhalb der Heizung im Badezimmer.

Demnächst probiere ich mal die Viererpackung „Red Instinct“ aus. Wenn der Text auf der Verpackung stimmt, steigert sich da der Komfort bis zum Empfinden purer Leidenschaft. Wenn ich das mit meinem neuen Parfüm kombiniere, wird das nächste Wochenende der Kracher.