Ich bin ihr erlegen. Völlig unvorbereitet traf es mich. Ich wusste vorher, dass es so etwas gab. Aus Erzählungen von Lebemännern und Züchtern, die mit leuchtenden Augen und Sehnsucht in der Stimme davon berichteten.
Ich meine natürlich die Faszination des Pferderennsports.
Vor gut drei Jahren war ich zum ersten Mal auf der Pferderennbahn in Köln-Weidenpesch. Dort hatte ich erstmals zaghaften Kontakt zu schnaufenden Rennpferden, stabilen Pferdemädchen und ihren in grün gewandeten Züchtern.
Ich meine damit die Pferdezüchter. Sonst gibt es wieder böse E-Mails.
Jetzt fragen sich die verkaterten Leserinnen dieser Zeilen: „Warum sollte man ein Pferderennen besuchen?“
Nun liebe Leserinnen – und natürlich lieber Leser, das ist ganz einfach auf den Punkt zu bringen: Die Atmosphäre auf der Pferderennbahn ist einzigartig. Und der Rest auch.
Die Stimmung beim Rennen schwankt zwischen Ungewissheit und nervenzerfetzend. Wenn die Pferde vorbeirennen bebt die Erde. Diese Kraft, dieser Wahnsinn in den Augen. Und diese aparte Mischung aus duftendem Pferdedung und dem Angstschweiß der Jockeys. Das ist schon einzigartig. Selbst hier in Köln.
Auch das Publikum ist wahrlich großartig. Familien, Alte, Junge, Männer, Frauen, Pferdemädchen, Pferdezüchter und- Züchtiger, Zocker, Trinker, Privatbankiers – alle sind sie da. Und sie vertragen sich. Weil für jede Zielgruppe die richtige Ablenkung vorhanden ist. Und zwar nicht zu knapp.
Hier kann sich jeder geben, wie er wirklich ist. Diese Liberalität ist ungewöhnlich in der heutigen Zeit.
Achtung, verehrtes Publikum. Jetzt wird es, weil es so ungewöhnlich für mich ist, modisch. Ich kündige das lieber an.
Hier, auf der offenen Rennbahn, trage ich Kleidungsstücke, die ich sonst nur sehr selten aus dem Schrank hole. Dann aber mit großer Vorfreude.
Dazu gehören ein körperbetont, sehr scharf geschnittener hellgrauer Frack mit dazu passender Weste und Hose. An dem silber-grauen Stoff perlen alle bekannten Rot- und Weißweine rückstandsfrei ab. Das ist ganz wichtig. Ein alter Brauch verlangt nämlich, auf Pferderennbahnen pro Rennen ein Getränk zu sich zu nehmen. Sofern man nicht selber Pferdezüchter ist. Und das gilt hier ja für die meisten Zuschauer. Bei Züchtern gibt es meines Wissen keine Mindestvorgabe.
Etwas Farbe muss auch sein. Deshalb trage ich dazu ein pinkfarbenes Hemd mit grau-pink gestreifter Krawatte. Ein farblicher Akzent, der das ihn umgebende Grau invers konterkariert und gekonnt in das Gegenteil verkehrt. Also eine Tautologie sozusagen.
An den Füßen glänzen schwarze Lederschuhe mit verstärkter Spitze zum Wegkicken der zahlreichen Pferdeäpfel. Die Hände werden durch weiße Stoffhandschuhe geschützt. Diese leuchten im Dunkeln und beim Tanzen und geben dem Umfeld somit Orientierung.
Nach oben hin wird das Outfit durch einen Zylinder ergänzt. Da bin ich doch etwas konservativ.
Und jetzt fügt ihr bitte das beschriebene Outfit im Kopf zusammen und stellt euch vor, wie ich per Fahrrad frohgemut auf der Rennbahn einreite. Und mein stählernes Ross unter leichtem Wiehern mit der Kette nahe am Eingang arretiere.
Habt ihrs? Sehr gut. Das ist ein Anfang.
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