Sie: „Ich finde, Frauen sind viel fokussierter als Männer.“

Ich: „Ich finde, Frauen schwanken zwischen fokussiert und bewusstlos.“

Wie viele Männer auch.

Sie hat offensichtlich akustisch etwas anderes verstanden, als ich gesendet habe. Ihre Augen sind weit aufgerissen:

Sie ruft: „Schwangere Frauen sind BEWUSSTLOS??“

Es folgt eine gefühlt sehr lange Schrecksekunde.

Ich: „NEIN! Ich sagte, Frauen schwanken zwischen fokussiert UND bewusstlos.“

Ich atme tief durch und frage irritiert:

„Warum sollten schwangere Frauen bewusstlos sein?“

Ihr Puls geht wieder langsam in den Normalbereich. Die Pupillen verkleinern sich wieder auf Normalmaß:

Sie: „Ok. Ach so… .“

Ich atme tief durch. Für einen kurzen Moment rechnete ich mit einer empörten Reaktion plus schlagkräftiger Argumente. Im Affekt nennt man das wohl. Diese blieben aber zum Glück aus.

Kommunikation ist eine diffizile Angelegenheit. Zwischen Sender und Empfänger kann es viele Störungen geben. Diese führen zu Missverständnissen. Und diese wiederum zu lebenslangen Feindschaften.

Der Auszug aus dem Gespräch stammt aus der Unterhaltung mit einer Bekannten über die Unterschiede von Männern und Frauen. Wie haben das Thema nicht im Detail diskutiert. Das Thema kam spontan zwischen den Regalen eines Supermarktes auf. Über was man sich am Vormittag des 11.11. in einem Supermarkt im Kölner Norden eben so spontan unterhält.

Ich muss zugeben, dass ich das schöne Wort bewusstlos mittlerweile sehr oft verwende. Im Allgemeinen bezeichne ich Menschen als bewusstlos, bei denen Hopfen und Malz verloren ist. Grundsätzlich. Sie sind also nicht tatsächlich bewusstlos, sondern bei vollem Bewusstsein, lassen sich dieses Bewusstsein aber nicht anmerken. Sie handeln und reden bewusst bewusstlos.

Oder ist das nicht eher unbewusst, wenn der eigene Bewusstseinszustand in Grauzonen abrutscht, die Zweifel an der mentalen Wachheit aufkommen lassen? Ist unterbelichtet vergleichbar oder gleich bewusstlos? Temporär scheint mit dies zumindest passend.

Wenn ich den Song eines Rappers höre, dessen Reime die deutsche Sprache beugen, bis sie bricht (und einige Zuhörer bestimmt auch), fühle ich mich sprach-ästhetisch beleidigt. Rap-affine Jugendliche nennen einen schlecht rappenden Rapper übrigens Spasti-Reimer. Das ist natürlich nicht in Ordnung, weil es politisch unkorrekt und gleichzeitig herabwürdigend gegenüber behinderten Menschen ist. Aber in der Altersklasse der Pubertiere zwischen 12 und 25 weiß dann jeder Zuhörer, dass der besagte Rapper sprachlich und textlich noch deutlich Raum für Verbesserung hat.

Kürzlich sagte jemand zu mir, bei mir müsse man vorsichtig sein. Weil ich gut Deutsch könne. Kann  man Deutsch können? Kann ich wirklich Deutsch? Näherungsweise vielleicht.

Es stimmt: Ironie und Sarkasmus nutze ich ganz gerne, um Handlungen meiner Mitmenschen zu kommentieren und im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. Die Reaktionen darauf sind sehr gemischt. Das geht von verständnislosem Anglotzen mit offenem Mund bis zu der gern gestellten Frage:

„Was das gerade ironisch gemeint?“

Hä?

Ich (empört): „Bitte? Ich lehne so etwas wie Ironie grundsätzlich ab!“

Eine gute Alternative ist das Hinterfragen der gestellten Frage auf honkische Art und Weise:

„Ironie? Du meinst Diarrhö, oder?  Heißt das nicht so viel wie durch eine Prüfung durchfallen?“

Oder:

„Wenn das Ironie ist, meine ich was anderes.“

Wäre ja noch schöner, die eigene Sprachkultur durch Bestätigung zu entzaubern. Allerdings kann schlecht gemachter Sprachdurchfall in musikalischer Form tatsächlich Diarrhö zur Folge haben.

Vor Jahren war ich mal mit einer Außendienstlerin unterwegs, die als Klingelton ihres Mobiltelefons den Refrain des Liedes „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ nutzte. Bei der Tour klingelte ihr Handy im Minutentakt. Ich bin nicht schlageraffin und schon gar nicht besonders belastbar, was diese Musikrichtung angeht. Mein Magen beginnt dann schnell zu grummeln und verlangt eiligst Gegenmaßnahmen.

Dieser Stern war eine Überdosis musikalischer und textlicher Debilität. Schnell steigen dunkle Gedanken in mir auf. Ich überlegte, ob ich die Fahrerin bis zum Abend in den Kofferraum einsperren und ich spontan ihre Tour übernehmen sollte. Ich würde der Kundschaft sagen, dass sie wegen akuten Durchfalls leider nicht selber kommen konnte.

Allerdings war der Kofferraum mit Gerödel vollgemüllt und ich hatte keine Lust, erst mal den ganzen Kram umzuladen bzw. zu entsorgen. Also verwarf ich den Gedanken wieder.

Ein neuer Plan musste her. Einfach auszusprechen, dass diese Ton- und Textfolgen meinen Magen-Darm-Trakt stark belasteten, erschien mir zu profan.

Dann lieber mitmachen. Ich habe bei jedem Anruf laut mitgesungen. Mit leicht geändertem Text:

„Ein Mensch, der dieses Lied erträgt /

der weint, wenn man ihn schlägt/

der wird schnell Grenz-debiiiiiiil/

und S*****-rappt bald ziemlich viiiiiiel.

Sie reagierte schwerst irritiert. Nach dem dritten Anruf habe habe ich meine hochwertigen Kopfhörer von DM (für 4,99 €) herausgeholt und meine eigene Musik per Handy genossen. Mitgesungen habe ich auch, diesmal textsicher und bei maximaler Lautstärke. Klassiker wie „Smoke on the Water“ oder „Angel of Death“ sind einfach eine Wohltat nach diesem schlager-akustischen Anschlägen auf Geist und Verstand.

Sie hat bald darauf ihr Handy auf leise gestellt und ein ernsthaftes Gespräch über dienstliche Inhalte begonnen. Sie wirkte eingeschüchtert, dabei aber hochkonzentriert. Auf das Gesprächsangebot bin ich gerne eingegangen. Das meine ich ganz ohne Ironie.