Sie: „Seid ihr eigentlich zusammen?“

Er: „Nein, wir sind befreundet.“

Sie: „Aha.“

Dieses „Aha“ ist sehr aussagekräftig. „Aha“ kann heißen:

„Diese Art Freundschaft ist in meinem Weltbild nicht vorgesehen.“

oder

„Das ist keine Freundschaft, dass ist eine Affäre/Flirt/Körperflüssigkeitsaustausch* unter dem Vorzeichen niederer Instinkte.“

oder

„Höh??“

Wie schrecklich.

Das sind sehr katholische Ansichten. Manchmal werden diese gar nicht erst ausgesprochen, sondern non-verbal über die Gesichtsmimik mitgeteilt. Die non-verbale Äußerung stellt die Verbale gerne in den Schatten. Und im Schatten ist es sehr kalt.

Eine bekannte Ausprägung der non-verbalen Mitteilung ist der stumme Schrei. Dieser stumme Schrei geht gerne mal in stumme Verachtung über.

Er (genervt): „Was ist? Du rümpfst die Nase. Und was soll das deutlich vernehmbare Aufstöhnen bedeuten?“

Sie (ertappt, hektisch): „Nein, nein. Alles ok. Ich habe nur gerade gedacht, dass, äh, (stotter) bla, bla, bla… .“

Vor einigen Tagen habe ich einen sehr interessanten Artikel bei NZZ Campus zum Thema Freundschaft und Sex gelesen. Der Artikel bringt es auf den Punkt. Die Frage nach dem Beziehungsstatus baut Druck auf. Oder kann Druck aufbauen, wenn über die Details nicht offen gesprochen wird.

Was heißt das eigentlich: Beziehungsstatus? Wen könnte ich hier fragen? Mal online nachschauen. Genau, bei allen elektronischen Dating-Portalen gibt es sehr schöne Beschreibungen des aktuell erlogenen BS:

  1. Es ist kompliziert
  2. Flirt
  3. Geschieden
  4. Single
  5. Verheiratet
  6. Verwitwet

Das ist sehr oberflächlich. Und zu einfach. Denn da sind Kombinationen durchaus möglich. Zu ergänzen wären noch (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Techtelmechtel
  • Freundschaft plus
  • Freundschaft mit Extras
  • Freundschaft minus
  • Nur an Freundschaften interessiert
  • Befreundet
  • Affäre
  • Polyamorös

Das führt uns direkt zum nächsten Problem: Was verstehen der- oder diejenige unter Beziehungsstatus? Das ist wieder Definitionssache. Definitionen sind nervig. Definitionen fördern das Schubladendenken, aber  sie geben auch Orientierung. Die Bedeutung des Schubladeninhaltes variiert aber im Kopf jedes Menschen.  Der folgende Absatz bietet einen exklusiven Einblick in einige wahllos geöffnete Schubladen:

Sie sind also befreundet/zusammen/nicht zusammen, sehen sich aber zwei Mal die Woche/sehen sich nur beim Abendessen/bei der Beichte/beim Frühstück/beim Einkaufen/ wenn seine Freundin nicht da ist/wenn sie Lust hat/wenn Vollmond ist/wenn sein Bart gut gekämmt und geölt ist/wenn die nächste Sisters of Mercy-CD erscheint/wenn sie alt und grau sind/wenn Köln wieder absteigt/wenn der Mond die Sonne berührt/wenn dieser Text endet/wenn am Morgen die Vögel zwitschern.

Das wäre schon mal geklärt.

Und dann setzt die unvermeidliche Bewertung des Sachverhaltes ein:

  • Ist das gut?
  • Ist das akzeptabel?
  • Ist das verwerflich?
  • Wie positioniere ich mich dazu?
  • Muss ich das überhaupt?
  • Ist das schon wieder eine Aufzählung, die den Lesefluss unterbricht?**

Pause.

Neu laden.

Ok.

Vorschlag: Man könnte ja einfach mal loslassen und gleichzeitig alles so lassen, wie es ist.

Also: Wenn es beiden Beteiligten damit gut geht, dann ist es gut. Punkt.

Was ist denn gut? Gut ist das sehr befreiend Wirkende bei einer Freundschaft plus. Das Gegenteil einer klassischen Beziehung also. Gut ist die selbst gewählte Abwesenheit von Verpflichtungen. Es gibt keine Verpflichtung zu gegenseitigen Besuchen von Familienfeiern mit Familienstreitgarantie, Geburtstagen mit Komasauf-Verpflichtung, hirnrissige DVD-Abenden mit grenzdebilen filmischen Darbietungen et cetera pp..***

Ja, auch diese Liste ist endlos. Mann und Frau können alle lästigen Begleiterscheinungen einer klassischen Beziehung ausschließen und sich auf das konzentrieren (= beschränken) was beiden Spaß macht.

Das ist natürlich in den Augen vieler strenger Katholiken im höchsten Maße verwerflich. Und das bereitet mir große Pein. Jeden Morgen wache ich mit dem festen Vorsatz auf, ab heute ein guter Katholik zu sein. Das wäre großartig. Ich könnte bei der Beichte über meine Sünden berichten. Ich würde hören, wie der Beichtvater nach Luft schnappt und um Fassung ringt, während ich über meine Sünden der letzten Woche berichte. Und ich würde natürlich bereuen. Also wirklich im Sinne des Wortes bereuen.

Wenn es etwas zu bereuen gäbe. Ich empfinde ja oft Reue. Nein, es ist Fremdschämen. Fremdschämem für das sehr qualitative Fernsehangebot bei RTL, RTL II, im Reality-TV und den anderen visuellen Jauchegruben.

Es wird deutlich: Das Thema Beziehungsstatus ist noch nicht abgeschlossen. Es bedarf der detaillierteren Betrachtung und einer Beweiskette, die die einzelnen, wahllos zusammengeworfenen Fragmente zusammenkettet. Das wäre dann ein roter Faden, in dem sich der Schreiber und der Leser gleichermaßen verheddern könnten. Und alle Wege führten dann tatsächlich nach Rom. Und dann wäre es nachts wahrscheinlich kälter als draußen.

Das könnte funktionieren.

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* Das ist eine alphabetische Aufzählung und nicht nach Wertigkeit sortiert.

**Ja, ist es.

***Ich weiß: Wegen diesen Absatz kommt wieder elektronische Post mit dem Betreff „Egoist!“.