Ich muss mal raus. Etwas Inspiration einfangen.
Köln-Nippes, Café Wohnraum, 15:45 Uhr
Ist das schön. Samstag Nachmittag. Ich sitze ganz entspannt auf einem bequemen Sofa in einem meiner auswärtig gelegenen Wohnzimmer und betrachte den Milchschaum auf dem gerade servierten Milchkaffee. Das Notizbuch liegt bereit zur Aufnahme neuer, unverbrauchter Ideen zur Gestaltung dieses Blogs. Daneben liegt die Liste mit den möglichen Themen für die neueste Textkreation: der lyrische Wellenberger, die genußsorientierte Freundschaft, die selbstgewählte, bewusste Abstinenz von Alkohol und Süßigkeiten in der Vorweihnachtszeit. Ich lese die Stichpunkte und merke, dass sich der eine, die Geschichte auslösende Satz sich nicht in meinem Kopf manifestiert. Also sind es jetzt nicht die richtigen Themen. Ist es das?
Nein, ich bin unruhig. In kurzen Abständen merke ich einen Luftzug in meinem Nacken. Die Kerze auf meinem Tisch flackert dauernd. Das stört mich. Die Eingangstür ist aber zu weit weg und ich sehe auch keine Lüftung, die unkontrolliert die Luft umwälzt. Was stimmt hier nicht?
Ich blicke mich um. Hinter mir sitzen zwei junge Frauen an einem kleinen Tisch und fotografieren kichernd ihr Essen. Sie könnten Anfang zwanzig sein, beide haben schwarze Haare und Brillen aus dem letzten Jahrhundert. Sie sind also top-modisch und total trendy. Beide haben sich mit viel Aufwand geschminkt. Das ist an sich nichts Besonderes. Aber die mir zugewandte Frau hat die längsten aufgeklebten Wimpern, die ich je gesehen habe. Bei jedem Zwinkern wird eine fühlbare Menge Luft beschleunigt in meine Richtung gedrängt. Die Wirkung entspricht der eines Ventilators auf Stufe vier von fünf. Ich will aber nicht über aufgeklebte Wimpern schreiben. Das Thema ist mir heute zu doof.
Jetzt bin ich genervt. Es geht nicht, ich muss hier raus.
„Zahlen!“
Köln-Nippes, Weihnachtsmarkt am Schillplatz, 16:32 Uhr
Das ist ungerecht. Ich darf nicht aufs Kinderkarussell! Angeblich bin ich zu groß für das Feuerwehrauto. Außerdem sitzen da schon zwei Kinder drin. Natürlich passe ich da rein! Ich vertreibe die zwei Blagen und genieße ein paar entspannte Runden umgeben von bunten Lichtern und Weihnachtsliedern. Als das Karussell hält, moppern mich die Eltern der vertriebenen Schreihälse an. Ich beschimpfe sie als Helikoptereltern und entwende ihnen eine Tüte gebrannte Mandeln und einen Hello Kitty-Luftballon. Noch mehr Geschrei. Ich verziehe mich lieber Richtung Innenstadt.
S-Bahn Richtung Kölner Innenstadt, 16:40 Uhr
In der Bahn Richtung Innenstadt spricht mich ein dunkelhäutiger Mann an. Er nennt sich J.R.R. Tolkien und bietet mir ein Hin- und Rückflugtickt nach Sydney für 25 € (inklusive Steuern) an. Er selber kann das Ticket nicht nutzen, weil er einen dringenden Termin an einem Ort namens Mordor hat. Das muss irgendwo in Franken liegen. Das Ticket ist für die 1. Klasse! Ich schlage sofort zu und steige am Hansaring direkt in die S-Bahn zum Flughafen um.
In der Maschine nach Sydney, 18:47 Uhr
Toller Service hier. Die Stewardess mixt ausgezeichneten Maracuja-Spritz. Zum Dank habe ich ihr und ihren Kolleginnen gebrannte Mandeln angeboten. Kannten die gar nicht. Making Friends by gebrannte Mandeln. Oder so ähnlich.
Ich blättere in ein paar Modezeitschriften herum und erfahre die neuesten Trends aus der neuseeländischen Modeszene. Die Models sehen alle wie sehr schlanke und sehr rasierte Hobbits aus. Wenn das Frodo wüsste.
Dazu genieße ich ein Gläschen australischem Shiraz. Der ist etwas schwer im Abgang und schmeckt nach Kompott mit einem Schuss Rum. Auf der Flasche pragt ein stilisiertes Känguru. Ob ich ein echtes australisches Känguru zu sehen bekomme?
Beim Aussteigen schenke ich einer der süßen Stewardessen den Hello Kitty-Luftballon. Sie ist entzückt und steckt mir unauffällig ein kleines Stoffkänguru in die Seitentasche meines Mantels.
1 Kommentar
1 Pingback