„Schau mal!“
Sie hält mir ihre Hand vor das Gesicht. Ich sehe Fingernägel in einem undefinierbaren Farbton.
„Meine Nägel sind total on fleek. Ich bin total on fleek!“
„Du bist was?”
Sie schaut mich mit großen Augen an. Offenbar habe ich etwas Wesentliches verpasst.
„Na, on fleek. ON FLEEK!”
„On Was?“
„On fleek! Kennst du das nicht?“
„Nein.“
On fleek. Aha. Ob das ansteckend ist? Nein, es muss irgendwas mit aufgerüschten Fingernägeln zu tun haben. Schließlich hat sie mir gerade ihre gestylten Fingernägel präsentiert.
„Na, das heißt perfekt, super… .“
„Also so etwas wie großartig?“
„Genau. Großartig. Ich habe grooooßartige Nägel.“
Sie macht breit grinsend eine paar Bewegungen, die wahrscheinlich Dance Moves der höchsten Coolnessstufe darstellen sollen. Dabei streckt sie ihre Arme aus, spreizt die Finger und grinst in einer Art, die auf den Missbrauch alkoholischer Getränke oder Kosmetika ohne Jugendfreigabe schließen lassen. Ich würde sagen, die frühe Madonna versucht sich im Ausdruckstanz.
Das Schicksal will es, dass ich jedes Jahr eine weitere Polin kennenlerne. Jede dieser Polinnen bringt mir mindestens ein neues Wort bei. Zum Beispiel Sto Lat. Oder etwas Schlimmeres. Die meisten dieser Wörter lassen sind aber, bis auf das fortgeschrittene Stadium einer Party, nicht beliebig nutzen.
Die Unwissenheit wurmt mich. Ich brauche Gewissheit. Ich flüchte in einen Raum ohne tanzende Polinnen und befrage mein Schlauphone.
O-n- f-l-e-e-k.
Der Duden kennt das nicht. Aber alle Suchmaschinen liefern Ergebnisse ohne Ende. Diesen Ausdruck gibt tatsächlich.
Die Definitionen gehen von Auf den Punkt, Perfekt (Giga) bis hin zu term used by uncultured idiots to describe perfection (urban dictionary). Ich scrolle durch die Ergebnisse. Offenbar sind Augenbrauen besonders oft on fleek. Jugendslang, was sonst? Da bin ich zugegebenermaßen nicht aktuell.
Neulich hörte ich einen Jugendlichen zu seiner Freundin oder Bekannten sagen:
„Du siehst gerade zwei Kilo geiler aus, du Ikeakind.“
Er meinte damit, dass sie momentan eine ungeschminkte Schwedin ist. Ihre einprägsame Antwort war:
„Vielen Dank, du Empathielegastheniker!“
verbunden mit dem Wurf einer 0,5 Liter Dose eines Energy Drinks an den Kopf des taktlosen Deppen.
Ok, wieder was gelernt. On fleek wurde meinem Wortschatz hinzugefügt.
Halt! Moment! Was lese ich da? On fleek kann auch ironisch gemeint sein.
Das ist ja formidabel! Geradezu pornös! Da tun sich ja ganz neue Möglichkeiten zur Bereicherung der unterhaltenden Gesprächsführung auf. Wenn ich jemanden beleidigen will, kann ich kurz und bündig sagen:
„Kämm dich!“
Das ist schon sehr deutsch. Ein kurzer und unfreundlicher Imperativ. Umgangssprachlich mehr up to date ist:
„Deine Haare sind on fleek.“
Da ist mir aber zu modisch. Etwas mehr sprachliche Eleganz sollte schon sein. Auch bei alltäglichen Dingen. Da fallen mir sofort zahlreiche, sprachlich weitaus elegantere Alternativen ein.
„Dein Scheitel überzeugt auch in tiefschwarzer Nacht.“
(Romantik pur.)
„Kämmst du deine Eyebrows in der Nacht/
bin ich um den Schlaf gebracht.“
(Das ist on fleek-Dichtung.)
„Insgesamt ist dein Outfit heute wieder im höchsten Maße makellos.“
(Ich falle vor dir auf die Knie, Schantal.)
„Nur besonders frisches Haarspray konnte diese wundervolle Frise erschaffen.“
(Jeder Friseur wird dich anbeten. Oder: Ich will ein Kind von mir.)
„Du hast deine Haare großartig gekämmt.“
(Bitte beachten: Das „O“ in Großartig muss deutlich hörbar in die Länge gezogen werden.)
So, das war es für heute, liebe Leserinnen und lieber Leser. Ich werde mir jetzt den Scheitel sehr streng kämmen und dann chill ich vollständig meine Base.
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