Jedes Jahr kommt dieser Tag, dieser eine Tag, an dem ich gut gelaunt Kleidung shoppen gehe. Shoppen heißt, die Liste der wirklich sinnvollen Erweiterungen meines Bestandes an Kleidung ist so wichtig oder umfangreich, dass weiteres abwarten eher früher als später zu Komplikationen führt. Weil alle Jeans im Kleiderschrank mehr Löcher als Jeansstoff aufweisen. Oder weil ein für das tägliche Leben wichtiger modischer Bestandteil schlichtweg fehlt. Zum Bleistift eine weitere schwarze Unterhose oder ein neues Bettlaken.

Für diesen Shopping-Day gibt es wenige, aber essentielle Zutaten:

  1. Eine modeaffine Frau, die meinen Geschmack kennt und den ihren im Zaum hält. Sonst befürchte ich, zu irgendwelchen abstrusen Experimenten überredet zu werden. Wichtig ist auch, dass meine Begleitung ebenfalls ein paar Einkäufe tätigen möchte. Sonst liegt der Fokus den ganzen Tag auf mir. Und mit Aufmerksamkeit sollte man sparsam umgehen, weil die menschliche Aufmerksamkeitsspanne sehr begrenzt ist.
  2. Eine Liste mit den zu beschaffenden Gegenständen und genauen Angaben zu deren Beschaffenheit. In diesem Fall: neue Jeans in 36/36, eine coole neue Brille, eine neue Sporttasche und ein paar Longsleeves in XL. Zu Deutsch: Langärmer oder Langarmshirt. Kurzarmshirts bzw. T-Shirts habe ich genug.
  3. Ein Budget, welches die Punkte auf der Liste qualitativ und quantitativ eingrenzt.
  4. Eine entspannte Grundstimmung, die mir erlaubt, beim Anprobieren der Klamotten mit sanft vorgebrachter Kritik konstruktiv umzugehen und nicht stressbedingt aus der Haut oder Hose zu fahren.
  5. Ausreichend Pausen zum Genuss von Kaffee mit süßer Beilage, um über den Fortgang und Erfolg der Shoppingtour ausreichend zu reflektieren.
  6. Keine weiteren Termine an diesem Tag.

Meine gut gelaunte Begleitung muss natürlich in einem aufwendigen Auswahlverfahren vorab ausgesucht werden. Teetrinkerinnen mit Second-Hand-Vorlieben, Hardcore-Veganerinnen mit Hass auf Nicht-Bio-Kaffeegenießer und Frauen, die schon bei leichter Hektik zu einer sich überschlagenden Stimme, Aggressionen und Heulattacken neigen, wurden gedanklich vorab aussortiert. Beim Einkaufen von Kleidung bin ich nicht allzu  geduldig und belastbar. Meine Begleitung sollte da als ruhender Pol wirken. Im besten Fall soll dieser Tag uns beiden Spaß machen und Nutzen bringen.

Auch ungünstig sind Aussagen wie:

„Ich geh nur samstags zwischen 11:35 h und 14:45 h einkaufen. Aber nur, wenn meine Haare gut liegen, mein Horoskop für diese Woche zum Shoppen rät und meine Freundinnen nicht in der Stadt unterwegs sind.“

Solche Frauen eignen sich gut für eine ernsthafte und langfristige Beziehung mit einem Spezialisten für Zwangsstörungen, aber nicht für ein gemütliches Bummeln mit mir durch die Stadt. Null. Nada. Niente.

Auch sehr interessant:

„Das wird echt Zeit, dass du dir mal was neues anschaffst.“

Meine Antwort:

„Guter Ansatz. Das mache ich. Du kommst nicht mit.“

Alle, die genau wussten, was mir steht und unbedingt in meinen  Kleiderschrank gehört, ohne nach meinen Wünschen gefragt zu haben, wirkten nicht ausreichend empathisch. Ein K.-o.-Kriterium ist auch ein Satz wie:

„Erst mal will ich deinen Kleiderschrank inspizieren und aufräumen.“

Meine Standard-Antwort hierauf lautet:

„Das ist ja großartig. Für dich. Schönes Wochenende!“

In lockeren Gesprächen wurden die Handvoll Kandidatinnen der engeren Wahl geprüft. Knackpunkt ist dann gern der unterschiedliche Geschmack bei der Auswahl einer schönen Brille. Die, die gerade auf die aktuell sehr beliebten, großformatigen Brillen standen, erhielten eine sanfte Absage.

Ich möchte zwar eine schöne, aber auch zeitlose Brille erstehen. Da fallen die ganzen hässlichen 80er Jahre-Gestelle schon mal weg. Keine Diskussion. No go, Schätzelein.

Der ganze Prozess dauerte ein paar Tage. Letztendlich fiel die Wahl auf eine enge Freundin, die ihre Belastbarkeit bereits bei anderen gemeinsamen Touren unter Beweis gestellt hatte. Es konnte also losgehen.

Fortsetzung folgt. Vielleicht.