Kürzlich traf ich Theresa zufällig in der Stadt wieder. Die Freude war groß, der Kontakt mit ihr ist nur lose. Aber wenn wir uns mal sehen, dann sind die Gespräche immer sehr intensiv. Sie ändert ihre Frisur, ihre Männer und ihre Sicht auf das Leben sehr häufig. Also haben wir haben uns in ein Café gesetzt, um uns gegenseitig auf den neuesten Stand bezüglich Liebschaften, Partnerschaften und Sonstiges zu bringen. Wir waren noch beim Punkt Liebschaften, als ich unvorsichtigerweise in einem Nebensatz meinen aktuellen Ernährungstrend hin zur Tiefkühlpizza thematisierte. Das läutete einen grundsätzlichen Themenwechsel bei ihr ein.

„Du isst seit sechs Wochen nur Pizza? Tiefgekühlte Pizza?“

Ich dachte mir sofort: Nicht schon wieder dieser Ernährungskram…

Daraufhin setzte sie zu einem schweren, von Vorwürfen gespickten Monolog über die schlimmen Folgen von Fertignahrung im Allgemeinen und Tiefkühlkost im Speziellen an. Ich muss dazusagen, Theresa ist seit einiger Zeit im Bio-Wahn. Ihre beste Freundin ist seit Anfang des Jahres Veganerin. Aus Männerfrust. Und das färbt auf Theresa etwas ab. Beziehungsdramen und krasse Umschwünge in der Ernährung gehen oft Hand in Hand.

Solche Predigten sind für mich das Zeichen, ein weiteres Getränk und ein weiteres Stück Kuchen zu bestellen und beides in aller Ruhe zu genießen. Ab und zu blicke ich sie an und lächle, weil der Kuchen so schön lecker ist und unterbreche ihren Redeschwall tunlichst nicht. Auf keinen Fall. Sie möchte sich schließlich mitteilen und ich in Ruhe Kaffee und Kuchen genießen. Eine Win-Win-Situation also.

Irgendwann sagte sie:

„Verstehst du das? Das ist mir einfach wichtig.“

Zugegeben, mein Kopf war in den letzten Minuten ausgeschaltet. Das Thema war mir bewusst, Details eher weniger.

„Ich kann das sehr gut verstehen. Immer Fertigkost zu konsumieren ist auf Dauer bestimmt nicht gut. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass man andere Menschen und ihr Verhalten nicht ändern kann. Die Verhaltensänderung kann nur aus einem selber kommen. Je mehr Druck du auf jemanden ausübst, desto mehr wird er sich zurückziehen oder ganz weggehen.“

Sie seufzt.

„Du hast ja ganz toll zugehört. Links rein, rechts raus. Männer. Es ist immer das Gleiche mit euch.“

Ich wurde ertappt. Aber ich bin ja flexibel und stelle mich gerne neuen Gesprächsthemen.

„Ich kann mit dieser Aussage nichts anfangen. Jeder Mann ist anders. Jede Frau auch. Ohne Zweifel. Und das finde ich sehr reizvoll.“

Ich höre mich schön wieder an wie ein Therapeut. Eine weitere Schublade geht in meinem Kopf auf.

„Männern wird immer wieder von ihren liebevoll-engagierten Frauen vorgeworfen, dass sie sich einseitig ernähren würden. Oder das sie sich nicht regelmäßig melden. Oder das sie keine Nähe ertragen könnten. Diese Männer ziehen sich dann zurück, worauf diese Frauen wiederum eine akute Männer-Hass-Phase kriegen.“

Sie verdreht die Augen.

„Ja, ja, ein typisch weibliches Verhaltensmuster. Ich weiß, ich weiß.“

„Nein, eben nicht. Männer sind genauso. Du bist nur unterwegs. Du arbeitest zu viel. Es ist das Gleiche nur in grün.“

„Kurz gesagt: Nimm deinen Partner, so wie er ist. Und fertig. Haben sie noch weitere Weisheiten für mich Herr Doktor?“

„Selbstverständlich, die Dame. Weißt du, ich merke immer öfter, wie schnell ich Menschen in Schubladen stecke. Das passiert einfach so. Ich unterhalte mich mit jemandem, höre Sie oder Ihn Wörter wie Dauerkartenbesitzer, Detox oder nährendes Shampoo aussprechen und mein Kopf versteht Herdentrieb, Genussfeindlich und vegane Dauerwelle. Und dann höre ich meinen Mund sehr ausgefallene Sätze formen, die nicht unbedingt unter Einsatz des Verstandes zustande gekommen sind. Zum Beispiel: Wenn dein Shampoo dich nähert, macht dein Körper ganz leicht kehrt.“

Sie lacht schallend.

„Dich nähert vor allem der Kuchen. Siehst du: Frauen sind genügsam. Frauen reicht etwas Shampoo.“

„Und tonnenweise Bio-Futter. Ich esse lieber Kuchen und habe dann gute Laune. Und ich schimpfe nicht über Frauen.“

„Okay. DAS glaube ich dir sogar. Warum warst du eigentlich nicht auf Gabys Party? Ein paar Mädels haben sie gefragt: Wo ist denn der große Typ, der letztes Mal das Buffet leergeräumt hat und danach so geil getanzt hat?“

Sie lacht. Ich tue überrascht.

„Was hat sie geantwortet?“

„Wegen solchen Typen mache ich lieber einen reinen Mädelsabend!“

„Wieso? Ich habe damals nur positives Feedback bekommen. Aber so seid ihr Frauen: Alle Risiken immer schön minimieren. Dann bleiben Enttäuschungen aus. Das klappt bestimmt.“

Ich fühle mich bestätigt. So grundsätzlich.