„Bist du gerade hier eingezogen?“

„Das ist eindeutig eine Männerwohnung.“

Das sind typische Fragen und Aussagen, die mir von Erstbesucherinnen gerne mitgeteilt werden. Meine Wohnung ist Heimat, Rückzugsort, Arbeitsplatz und Inspiration zugleich. Im Gegensatz zu manch steriler Behausung, in der zwanghaft der Eindruck erweckt werden soll, dass die Wohnung porentief rein und unbewohnt ist, kann bei mir jeder Besucher sofort erkennen, was hier Sache ist: Hier wird gelebt, geliebt, gelitten, gedacht und ganz viel Neues erschaffen.

Seit einem guten Jahr stehen ein paar Umzugskartons an verschiedenen, wechselnden Plätzen in meiner Wohnung. Der Inhalt ist nicht lebensnotwendig, ideell zu wertvoll zum Wegschmeißen und zu arbeitsaufwendig um ihn zu verkaufen. Kurz gesagt, der Zeitpunkt, damit umzugehen ist noch nicht da. Das kann sich aber sehr schnell ändern. Letzte Woche habe ich Knall auf Fall alle Bilder, die zuvor am Boden im Schlafzimmer standen, in der Wohnung aufgehängt. Weil eine interessierte Frau kurz zuvor eine doch naheliegende Frage gestellt hatte:

„Wieso hängen die Bilder nicht an der Wand? Du magst sie doch, wenn du so voller Begeisterung darüber sprichst.“

Am folgenden Tag lieh ich mir einen Hammer aus und nach knapp 20 Minuten hing ein sehr abwechslungsreiches Kabinett von Bildern an den Wänden. Jetzt kommen Anmerkungen wie:

„Auf den ersten Blick ist das eine sehr heterogene Sammlung von Motiven…“

Und dann mutiere ich spontan zum Kunstgelehrten und veranstalte eine fachlich fundierte Führung durch die heimische Sammlung, reiche dazu einen Wein der Wahl und unterhalte meinen Besuch nach Kräften. Was ein Satz von einem wachen Menschen doch alles auslösen kann… .

In jeder Wohnung merkt man die Prioritäten des Menschen, der in ihr lebt. Das kann Ordnung sein, Freiraum, Genuss, klinische Sauberkeit, Geselligkeit, Lebensfreude und vieles interessante mehr sein. Ich fühle, ob ich am richtigen Ort bin. Beim Thema Inneneinrichtung tue ich mich aber sehr schwer. Welches Möbelstück wo am besten aussieht und welches Bild an welcher Wand optimal zur Geltung kommt, zur Beantwortung dieser Fragen hole ich mir Antworten gerne bei kompetenten Menschen, die dieses Fingerspitzengefühl für Form und Farbe haben. Also in der Regel Frauen mit trendigen Antennen und Hang zum Mitreden. Nachdem ich drei Bekanntinnen hierzu befragt hatte und dreimal eine Begehung stattfand, weiß ich, was alles möglich ist. Oder sein könnte. Die Vorschläge waren fundiert und zeigten den Charakter der jeweiligen Person. Struktur, Ordnung, Übersicht, ja auch Sauberkeit um der Sauberkeit willen.

Der Tenor war: Raus mit den Kartons, weniger von diesem und jenem und alles was rumsteht auf den Müll oder in den Keller.  Ja, das wäre denkbar. Dann wäre hier alles schön aufgeräumt und es wäre mehr Platz. Aber wofür? Ich beschäftige mich gern mit vielen unterschiedlichen Dingen. Wenn die Zeit da ist, werden sie benutzt oder entsorgt oder wieder eingelagert. Bei Büchern weiß ich mittlerweile, wann es Zeit ist sich davon zu trennen. Das geht. Bei allen anderen Sachen ist es etwas aufwendiger. Und das darf es auch sein.

Wenn ich so etwas höre wie:

„Die Klamotten müssen weg, die sind alt, stehen dir nicht, sind zu bunt, sind zu eintönig, sind nicht vor mir ausgesucht, sollten alle drei Jahre ausgetauscht werden…“

und ich merke bei mir nicht die kleinste Reaktion, dann weiß ich: Jetzt arbeitet jemand an ihrem oder seinem Thema mit Kleidung im Sinne von Erscheinungsbild und Äußerlichkeiten. Wie will diese Person gesehen werden, damit sie glücklich und zufrieden ist?

Interessant ist auch ein Satz wie:

„Du hast zu viele Bücher“

Ist das möglich? Kann man genau bestimmen, wie viele Bücher genug sind? Eher nicht. Eher schon: Sind es die richtigen Büchern zum jetzigen Zeitpunkt? Unterhalten mich die Bücher? Vermitteln sie neue Erkenntnisse? Nehme ich sie mit Freude wieder in die Hand? Und vor allem: Lohnt eine Diskussion über den Inhalt? Der Inhalt zählt!

Ich habe kürzlich zwei Bücher für 1,50 € auf einem Flohmarkt gekauft.  Zwei tolle Bücher von Christian Kracht mit Reiseberichten. Beide habe ich bei einem Kurzurlaub mit meiner Familie an die See mit großem Vergnügen gelesen. Diese Bücher werden mich noch lange begleiten.

Wie sagt der Engländer gerne?  Don’t judge a book by its cover. Genau so ist es.