Gegenüber von meiner Wohnung hat ein Barbier aufgemacht. Das ist auch dringend nötig in dieser Stadt. Neben den Haaren auf den Köpfen wuchern aktuell auch die Barthaare der meist männlichen Bevölkerungsteile sehr stark. Auslöser für den vermehrten Bartwuchs bei Jugendlichen war angeblich eine Sequenz in der sehr beliebten jährlichen Serien-Staffel eines Unterschichtensenders. Dort war ein Insasse eines im Grünen befindlichen Barackencamps einmal mit und einmal ohne Bart zu sehen. Noch ziemlich Bartlos hatte er sich lautstark mit einer der Insassinnen verkracht. Wenige Sekunden später hatte er einen eindrucksvollen und sehr gepflegt wirkenden Vollbart. Beide Insassen lächelten sich an und fanden ruck-zuck zueinander.
Die Auswirkungen sind bis heute zu spüren. Männer lassen die Barthaare unkontrolliert sprießen, selbst Frauen kleben sich Bärte an. Die Folgen sind fatal: Bart-, Achselhaare und die oftmals zahlreichen Haare auf dem Rücken wachsen zusammen und schon verwechselt man die Person mit einem Wookie und geht auf Abstand. Soziale Isolation ist oft die Folge. Viele Betroffene müssen als Höhlenmenschen in Naturkundemuseen arbeiten.
Die Unterscheidung zwischen einem Haarigen und einem Wookie ist aber denkbar einfach: Wookies sind immer mindestens zwei Meter zwanzig groß und haben ein gepflegtes Fell. Fell, nicht einfach nur wuchernde Haare. Klaro?
Heute ist übrigens der Beginn der Karnevalssaison in Köln. Das heißt Ausnahmezustand. Viele Einheimische nennen das auch Zombie Ritual. Das kommt von den ungelenken Bewegungen, mit denen sich viele Berufs-Karnevalisten spätestens ab dem frühen Nachmittag fortbewegen. Hinzu kommt eine deutliche Einschränkung des Wortschatzes.
Übrigens sitze ich an diesem 11. November 2017 in einem schwer gesicherten Aufnahmecamp für Karnevalsflüchtlinge in Köln. Die Adresse ist streng geheim und darf nur von vereidigten und gesunden Angestellten der städtischen Karnevalsflüchtlingsbehörde mündlich an die Flüchtlinge übermittelt werden. Die Menschen hier sind völlig verängstigt. Obwohl die Eingänge von aufmerksamen Wachleuten bewacht werden, mehrere Rollen Stacheldraht rund um das Gebäude verlegt sind und die nächste Kölsch-Kneipe einige Kilometer entfernt ist, ist die Anspannung mit Händen zu spüren.
Heute Vormittag sind mehrfach Menschen am Eingang erschienen und wollten unter dem Vorwand, sich den Bart in den Waschräumen einölen zu wollen, das Gelände betreten. Allerdings waren auffallend viele Piloten, Krankenschwestern und Träger von albernen Reiteruniformen darunter. Also wurden sie schnell als hoffnungslos infizierte Fälle erkannt und per U-Bahn in die karnevalsinfizierte Altstadt abgeschoben. Seitdem rotten sich aber immer mehr Karnevalisten draußen zu Hunderten zusammen und umkreisen mit den berüchtigten zombieartigen Bewegungen das Gelände und singen dabei obszöne Lieder. Und der Aschermittwoch ist noch weit weg…
Hier sind noch die vier wichtigsten Tipps für unbescholtene Menschen, die sich unglücklicherweise in eine Karnevalszone in Köln verirrt haben:
- Wenn es eng wird und sie von einem Karnevalisten verfolgt werden, rufen sie ihm oder ihr zu: Eine Armlänge Abstand! Mindestens!
- Funktioniert das nicht, rufen sie: Ämterhäufer! Berufskarnevalist! Viele Verfolger blicken dann betroffen beschämt zu Boden und trollen sich.
- Funktioniert das nicht, rufen sie: Abstieg! Zweite Liga! Dann bricht der maskierte Verfolger im Regelfall in Tränen aus und sucht dann das Weite.
- Funktioniert das auch nicht, pusten oder stupsen sie ihn einfach leicht an an. Dann verliert er das Gleichgewicht, kippt um und sie können in aller Ruhe ihres Weges gehen.
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