Laetizia ist skeptisch.
„Das ist jetzt aber schon etwas vereinfacht dargestellt.“
„Wieso?“
„Räucherstäbchen sorgen für eine wohlige Atmosphäre und riechen einfach sehr schön. Sie duften geradezu. Und sie haben reinigende Wirkung.“
Sie schaut mich vorwurfsvoll aus ihren großen, dezent geschminkten Augen an. Ich diskutiere tatsächlich mit jemandem über Räucherstäbchen. Ich!
„Ich habe nichts gegen Reinigung. Ich reinige mich selber täglich, allerdings lieber mit Wasser und Duschgel. Ich habe auch per se nichts gegen Räucherstäbchen. Ich habe lediglich festgestellt, dass das Abfackeln…“
„Das Abfackeln? Räucherstäbchen brennen langsam ab. Langsam und entspannt. Letzteres solltest du vielleicht auch mal tun.“
„Wenn ich meine Wohnung betrete, habe ich das Gefühl gegen eine unsichtbare Wand zu laufen! Und ich habe nur eins dieser Dinger abgefa…, ich meine sanft und gefühlvoll mit veganen Streichhölzern entzündet und andächtig abgebrannt. Außerdem sollen die Dinger gesundheitsschädlich sein.“
Laetizia kriegt Puls, ich spüre es. Die Fingernägel ihrer rechten Hand kratzen über die Tischoberfläche. Ich räuspere mich. Mein Körper reagiert sofort auf Aggressionen. Und auf Themen, die Puls und Allergien auslösen sowieso.
„Vielleicht war das Stäbchen einfach nicht von guter Qualität. Irgend so ein schrottiges Industrieprodukt. Und wieso fängst du auch gleich mit Moschus an?“
„Hallo? Ich habe die Dinger geschenkt bekommen. Woher soll ich wissen, ob die Dinger biologisch-dynamisch-ökologisch hergestellt wurden? Und warum ist Moschus nicht gut? Werden dafür Moschusochsen rituell geopfert?“
„Kommt jetzt wieder so eine Schimpftirade gegen alles was Bio ist? Spar dir das!“
Demonstrativ wendet sie ihren Kopf ab und blickt auf den Bildschirm an der Wand. Dort wird ein schwachsinnig-lächelndes Hungermodel interviewt und danach darf sie wieder Bikinis auf ihrem ausgemergelten Körper über den Laufsteg tragen.
„Du weißt, wie das gemeint ist.“
Ich habe keine Lust mehr auf das Thema. Meine Nase kribbelt schon wieder. Wahrscheinlich dauert es Monate, bis dieser Geruch aus der Wohnung endlich raus ist. Ich nehme eine Gabel voll Reis vom Teller. Leider ist die Curry-Kokossauce schon alle. Andererseits bin ich ja schon satt. Schwierig. Einen Anlauf zur Klärung mache ich aber noch.
„Welchen Geruch kannst du mir denn empfehlen, O treue Anhängerin des naturreinen Räucherstäbchenduftschnüffelns?“
Sie streckt mir die Zunge raus. Auch eine Form der Argumentation. Freches Ding. Die zwei Mädels am Nachbartisch schauen interessiert zu uns rüber. Sie wittern ungeplantes Entertainment.
„Ich hab’s: Vielleicht kann ich mir selber Räucherstäbchen individuell nach meinem Geschmack herstellen lassen.“
„Quatsch, es gibt ohne Ende Räucherstäbchen in allen Geschmacksrichtungen. Du musst nur drauf achten, dass du die kaufst, die mit natürlichen Bestandteilen hergestellt worden.“
„Mein indonesisch und chinesisch reicht dafür leider nicht aus. Diese Dinger sind für ein sprachbegabtes esoterisch–achtsames Zielpublikum konzipiert. Und ich sehe mich eher bei den faktenbasierten Melancholikern mit deutlichem Hang zu vielfältigen Genüssen.“
„Ja, und stetigem Verzicht auf Achtsamkeit. Eine tolle Kombination.“
„Sei nicht so streng. Ich bin gerne Vorsitzender der Anti-Achtsamkeitsbewegung. Als ich kürzlich in diesem seltsamen Bio-Café in der Nähe vom Stadtgarten war, haben einige Leute sogar die Asche der abgebrannten Räucherstächen geschnupft.“
„Quatsch, warum sollte man die Asche schnupfen? Das ist doch nicht normal. Und warum treibst du dich in Bio-Cafés rum?“
Oho, das nennt man wohl eine unwirsche Reaktion.
„Ich wollte die biologischen Rest Rooms des Cafés austesten. Da vermisse ich beim Reinigungspersonal übrigens die Achtsamkeit und die Liebe zum Detail.“
Sie verdreht die Augen.
„Ich mag deine detailreichen Schilderungen alltäglicher Ereignisse.“
„Danke. Vielleicht waren die Ascheschnupfer einfach nur große Weihrauch-, Myrre- oder Moschusliebhaber, die auch den letzten Rest von ihrem Stoff vor dem Mülleimer bewahren wollen. Und sie wirkten ja auch sehr zufrieden dabei.“
„Kann es sein, dass du beim Backen zu viel Backpulver geschnupft hast?“
Ich lasse mich nicht beirren.
„Ich habe noch gar nicht mit dem Backen begonnen. Gäbe es Räucherstäbchen ohne Nebenwirkungen würde bei mir Morgens die Geschmacksrichtung doppelter Espresso, Mittags Pizzaduft und Abends noch etwas gesunder Zigarrenduft durch die Luft schweben.“
Dazu würde ein Glas Weißwein gut passen.
„Das ist ein guter Plan. Mach das. Ich werde jetzt mal weiterziehen. Theresa kommt heute Abend vorbei und ich muss noch einkaufen. Wir werden nur für dich ein wunderbar duftendes Räucherstäbchen entzünden. Und den Duft inhalieren. Vielleicht kann ich Theresa animieren die Asche wegzuschnupfen. Sie ist schon wieder solo. Was macht du heute noch?“
„Ich werde meine Wohnung nochmal ausführlich durchlüften und dann dieses Raumspray ausprobier…“
„Bedienung! Zahlen! Sofort!!“
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