Ich habe es geschafft. Und bin unversehrt. Fast vier Stunden war ich mit meiner zauberhaften Begleitung in der Kölner Innenstadt unterwegs. Nun kann und werde ich zwei alte, löchrige Hosen, die irgendwann mal neue, gutaussehende Jeans waren, gegen zwei wirklich neue, gutaussehende und natürlich figurbetonte Jeans austauschen. Drei neue Pullis habe ich auch nach intensiver Anprobe gekauft. Die passen gut und stehen mir, laut meiner zauberhaften und immer die harte Wahrheit aussprechenden Begleitung, auch noch sehr gut. Also werden auch ein paar alte Pullis entsorgt.

Jetzt werden gleich ein paar Nörglerinnen direkt einwenden:  Ja, ja vier Stunden zum Anprobieren und aussuchen von fünf Kleidungsstücken. So schnell geht das ja gar nicht. Das wird ja selbst beim Online-Shopping knapp. Doch, geht es. Denn das Tolle ist, alle genannten Klamotten habe ich in ein und demselben Laden erstanden. Sonst hätte ich dieses enorme Einkaufspensum auch nicht geschafft. Klamottenkauf überfordert mich. Allein die Suche nach der richtigen Hosengröße in diesen unzähligen Klamottentürmen löst erhebliche Aggressionen bei mir aus. Das Etikett mit den Größenangaben ist immer an einer nicht einsehbaren Stelle angebracht. Also muss jede Hose erst vom Stapel genommen, ausgeklappt, auf links gedreht und dann aus den chinesischen Schriftzeichen per Dreisatz und Wahrscheinlichkeitsrechnung die Hosenweite und -Länge berechnet werden. Und diese Aufgabe ist bei dem großen Angebot an Hosen aller Couleur in den einschlägigen Läden schon sehr langwierig.

Natürlich bewegen sich die kompetenten Verkäuferinnen  dieses Hauses, die vermutlich ohne auch nur hinzusehen direkt die passende Hose aus dem Stapel ziehen könnten, nur in den Damenabteilungen dieses Kaufhauses. Weil sie genau wissen, wie anspruchsvoll und anstrengend die Beratung eines Mannes mit kurzer Lunte beim Kauf von ästhetischer Kleidung ist. Deshalb kaufe ich Kleidung nur in weiblicher Begleitung. Begleitung, die ich zuvor sehr sorgfältig ausgesucht habe. Trotzdem führt die Anspannung bei mir zum vermehrten Gebrauch von Schimpfwörtern außerhalb des Grundgesetzes. Was meine geduldige  Begleiterin glücklicherweise nur mit einem schwer interpretierbaren Grinsen quittiert.

Alleine Klamotten kaufen geht gar nicht. Das führt nur zu Verzweiflungszuständen und dem starken Wunsch, das sogenannte Modehaus zeitnah komplett abzufackeln. In der Umkleidekabine stelle ich dann im Regelfall fest, dass ich die Größenangaben Weite und Länge  wieder mal verwechselt habe, Slim Cut wirklich für Schlimm geschnitten steht und die Ablagemöglichkeiten in der Kabine, die offensichtlich sonst als muffiger Abstellraum für gebrauchte Altsocken genutzt wird, gerade ausreichen um die eigenen Klamotten abzulegen oder aufzuhängen. Trete ich dann mit dem testweise angelegten Beinkleid vor den Spiegel und betrachte mein neu bekleidetes Ebenbild sehr kritisch, kommen sofort die Kernfragen der Existenz auf: Ist die Hose zu lang oder zu kurz? Kann ich es wagen, mich auf einen Stuhl zu setzen ohne eine Anklage wegen der Zerstörung von angeblich so belastbaren Arbeiterklamotten von dem Modehaus zu bekommen? Ist es normal, dass da diese Falten im Umfeld des Schrittes sind oder weist die Oberflächenspannung auf mangelnde Berstfestigkeit des blauen Beinkleides hin? Fragen über Fragen und natürlich ist gerade dann kein Philosoph anwesend, der hier weiterhelfen könnte.

Halbprofessionelle Nörglerinnen werden schon meine Vorliebe für das Wort „Klamotten“ bemerkt haben. Ich sage eben nicht Hochmodische Kleidung aus naturnaher Bioproduktion sondern schlicht Klamotten. Solange ich diese nicht angezogen habe sind es einfach Klamotten. Dann erst, durch den Akt des sorgsamen Auswählens, dem achtsamen An- oder Überziehen wird es zur Kleidung, die den Charakter des Trägers unterstreicht, seinen Intellekt durch Wahl der sehr dezenten Farben andeutet und durch Stil, Schnitt und dem gekonnten Blick des Designers für das Wesentliche zu begeistern weiß.

Angeblich stehen mir figurbetonte Klamotten gut. Wobei, figurbetont sind nach den Weihnachtsfeiertagen gefühlt fast alle meine Klamotten. Diese Art der Betonung ist allerdings etwas, sagen wir ambivalent. Ich bin aber gerne ambivalent unterwegs. Ambivalent Cut ist dann vermutlich das Fachwort in der Modeindustrie für die entsprechende Jeans. Das heißt dann soviel wie: Sitzt eng am Bein, hat aber ausreichend Stretchreserven für leichte bis mittelschwere Bewegungsabläufe, wirkt an Männern kleidend und gut geschnitten und bei Frauen Skinny, Bitchy oder Horny und begeistert durch die blaue Farbgebung, der auf Wunsch durch Herausschneiden oder Herausreißen von etwas Material in der Kniegegend noch ein trendiger Touch verpasst wird.

Wichtig ist, dass ich mich in den Klamotten wohlfühle und direkt nach dem Kauf ein gutes Café zum Stressabbau (bei meiner Begleitung) und Koffeinzufuhr (bei mir) aufgesucht wird. Das haben wir auch getan. Auf dem Weg dorthin haben wir sogar noch einen überfüllten Kosmetikladen durchquert und sie hat einige gut duftende Produkte erstanden. Wahrscheinlich zur olfaktorischen Stützung ihres Nervenkostüms. Also war es ein duftender Stützungskauf.

Sensible Fashion Victims und zwanghafte Klamottenkäuferinnen mit Hang zum Endlosshoppen werden mich nach diesen Zeilen wieder aufrichtig hassen. Aber keine Angst: Das ist euer Problem, nicht meins. Es gibt viele schöne Dinge die man mit, als auch ohne Kleidung tun kann. Das kann jeder selber entscheiden. Mit diesen kryptischen, auch für mich nicht direkt nachvollziehbaren Sätzen beende ich jetzt diesen Text, der innerhalb eines Zeitraumes von etwa dreieinhalb Stunden entstanden ist. Davon habe ich gut eineinhalb Stunden auf dem Sofa geschlafen, eine Viertelstunde mit Teetrinken und essen verbracht und den Rest der Zeit bewegten sich meine Finger über die Tastatur. Und der Kopf dachte relativ teilnahmslos: Irgendwas mit Klamotten.