„Was ist das denn? Bunt und schrecklich.“

„Das ist ein Flyer für ein neues Nahrungsergänzungsmittel. Das Zeug wird demnächst über Apotheken vertrieben.“

„Rank und schlank durch Blablabla. Das ist nicht euer Ernst. Die Texte lesen sich wie zusammengeschusterte Bausteine, die man schon tausend Mal woanders gelesen hat. Und besser.“

Sie rollt mit den Augen.

„Alle Beteiligten haben dieser Fassung zugestimmt. Das hat lange gedauert. Und irgendwann muss dieses Projekt auch mal abgeschlossen werden.“

„Eben. Es gibt zu viele Beteiligte. Und das Ergebnis ist ein Konsens der übelsten Sorte. Da gibt es wieder keinen der entscheiden kann oder will und alle sichern sich schön ab. Hallo Stillstand.“

„Ist Konsens grundsätzlich schlecht? Das glaube ich nicht…“

„Du weißt, was ich meine. Was ist das Besondere an diesem Produkt? Wofür steht die Firma dahinter? Da ist keine Begeisterung zu spüren.“

„Ja ja, ich weiß. Aber seit Wochen gehen die Entwürfe hin und her. Alles wird seziert und jedes Mal etwas mehr entschärft. Mir reicht es. Ich will das Ding endlich zur Druckerei schicken und das Projekt abschließen. Irgendwann ist auch mal gut.“

„In diesem auf buntem Papier gedrucktem Text steht nichts Überraschendes drin und nichts was irgendwie mitreißt. Keine Handschrift von irgendwem ist erkennbar. Alles ist Austauschbar.“

„Jetzt mach mal halblang. Wenn du Texte schreibst, reimt sich schlank gerne mal auf geisteskrank. So was kannst du doch nicht bringen!“

„Natürlich! Willst du Reaktionen oder soll alles bleiben wie es ist? Bei der letzten Kampagne hatten wir ein paar Wochen Presse ohne Ende und jeder auf der Straße kannte den Namen des Produktes. Da muss man erst mal hinkommen, ohne Millionen für Fernsehwerbung im Umfeld von grenzdebilen Dschungeltouristen rauszuwerfen.“

„Hör bloß auf! Hier standen die Telefone nicht still und alle Praktikantinnen haben geheult oder direkt gekündigt.“

„Du meinst diese fancy gekleideten ADHS-Gestalten, die ohne Handy in einen Zustand der Lethargie verfallen, sich maximal zwei Minuten auf eine Sache konzentrieren können und das erfolgreiche Anmelden bei Facebook für Social Media Marketing halten? Schönen Dank auch für die Mitarbeit.“

„Entspann dich. Es geht um Nahrungsergänzungsmittel. Das ist sowieso Abfall und total überflüssig. Das ist kein Werbeflyer für Wanderungen in einem Naturschutzgebiet für Familien…“

Aha. Interessanter Gedanke. So habe ich das noch gar nicht betrachtet.

„Ok. Dieses Argument überzeugt mich. Schlechtes Produkt plus schlechte Werbung gleich geringer Umsatz. Das ist gewissermaßen Schadensbegrenzung. Große Teile der Bevölkerung werden vor Schaden bewahrt. Das passt.“

„Siehst du? Und weil alle zugestimmt haben gibt es auch keinen Schuldigen.“

„So gesehen stimmt das. Auf der anderen Seite, wenn alle diesen Prozess immer wieder widerspruchslos so mitmachen wird am Ende immer ein, vorsichtig formuliert, suboptimales Ergebnis stehen.“

„Tja, von Lerneffekt kann man da nicht direkt sprechen.“

„Hm. Ich fand deine Idee mit dem schlank und geisteskrank gar nicht so schlecht. Daraus lässt sich bestimmt was machen. Vielleicht können wir so diesem ganzen Fitnessschwachsinn etwas entgegensetzen.“

„Gut. Ich informiere sicherheitshalber gleich mal unsere Fachleute für angewandtes Risikomanagement und Anti-Shitstorming. Und der Anwalt soll schon mal die rechtlichen Folgen durchdenken.“

„Na toll. Vielen Dank für dieses Gespräch!“