Die Sonne scheint, Ostern ist rum und langsam lässt das Sodbrennen nach. In den Supermärkten werden die überteuerten Ostersüßigkeiten für die Hälfte angeboten, was immer noch deutlich zu viel ist. Und es gibt nirgendwo mehr Waffeleier. Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht, weil sich das Sodbrennen sonst noch zu einer dauerhaften Angelegenheit auswächst. Und es ist das erste warme und sonnige Wochenende in Köln. Deshalb erscheint dieser Beitrag etwas später. Aber das spielt keine Rolle, weil sowieso alle potentiellen Leserinnen und Leser draußen sitzen und die Sonne genießen. Also werden mir Morgen wieder jede Menge sonnenverbrannte Gesichter im beliebten Frühsommerfarbton „Krebsrot“ begegnen.

Natürlich habe auch ich etwas Sonne abbekommen und den ersten Outdoor-Doppio des Jahres draußen  vor einem Café genossen. In der warmen Sonne Kaffee trinken, das hat so was entspanntes, ausgeglichenes. Die Sonne hebt sofort die Laune. Die luftige Kleidung vieler meiner Mitmenschen nährt die Hoffnung auf einen epischen Sommer, der auch noch von einer Fußball-WM gekrönt wird.

Vor über 20 Jahren habe ich eine fette Zigarre von einer damaligen Kommilitonin geschenkt bekommen. Die Zigarre lag immer irgendwo im Schreibtisch, hat diverse Umzüge mitgemacht, fiel mir hin und wieder in die Hände und dann wusste ich nicht, zu welchem Anlass ich dieses Werk der Zigarrenmanufaturischen Künste entzünden sollte. Heute Mittag war es soweit. Der Anlass war sich selbst Anlass genug: Ein Spaziergang mit meiner Liebsten durchs Grüne. Ich war so tiefenentspannt, dass auch ein etwa elfmaliges Neuentzünden der Zigarre infolge zehnmaligen ungeplanten Ausgehens des nicht mehr ganz jungen gerollten Tabaks meiner guten seelischen Verfassung keinen Abbruch tun konnte. Insofern war der heutige Tag die logische Fortsetzung des gestrigen. Denn der war auch schon entspannt: Ausschlafen, frühstücken, mit netter Begleitung über den Markt schlendern, auf dem Markt Lebensmittel für das Abendessen erstehen, spazieren gehen, Kaffee und Kuchen draußen in der Sonne und dann ging es zu einer Weinprobe.

Eine Weinprobe ist nicht ohne. Das waren knapp zwei Stunden volle Konzentration. Augen schließen, den Tropfen in das Weinglas gleiten hören, probieren, schmecken, testen, den Restzucker des 17. Gewürztraminers mit dem bisher favorisierten fünften vergleichen, den halbtrocken werbenden Worten der zahlreich anwesenden Winzer mit ihren noch zahlreicheren Familienmitgliedern lauschen, das Bundesland des Herkunftsortes der Winzer raten, über die Qualität des gereichten Tropfens fachsimpeln, torkelnden fremden Menschen mit hochrotem Kopf ausweichen, über die gelungenen Architektur des Veranstaltungsortes, des Gürzenichs, freuen und schließlich von der Vielzahl der geschmacklichen Eindrücke sanft-lieblich, mit nicht unerheblicher Restsüße, überfordert zu werden. Irgendwann konnte ich selbst bei dem zwischendurch eingeschobenen Wasser den Zeitpunkt des Abzapfens aus der Quelle, die Farbe des Etiketts auf der Flasche und das tatsächliche Alter der Dame, die dieses Wasser reicht, anhand der immens gewachsenen Sensibilität der Rezeptoren in meinem Mundraum abschätzen. Danach gab es zuhause rotes Thai-Curry. Die meisten Bohnen im Essen wurden von Linkshändern gepflückt, die rote Curry aus dem Glas war schon älter als drei Monate und die Paprika hat eine reizende Frau in mundgerechte Stücke geschnitten. Übung macht den Meister.

Heute folgte die oben erwähnte Zigarrenerweckung. Danach erst die Pflichterfüllung. Nämlich gut 500 Worte für den Entdecker unterwegs. Diese schreibe ich normalerweise diszipliniert am frühen Sonntagmorgen. Heute aber entspannt am Nachmittag. Mit Blick in das erwachende Grün vor meinem Fenster, untermalt von zwitschernden Vögeln. Den Nachmittagskaffee habe ich übrigens heute Nachmittag im schattigen Schutz meines ruhigen Schreibzimmers eingenommen. Nun kann der Abend kommen.