Dieser ganze Craft Beer-Scheiß nervt mich. Mir scheint, jeder Mensch mit Vollbart, Tattoo und Hang zum Panschen im Sandkasten braucht sein eigenes Beer. Also Beer, nicht Bier. Denn Bier wäre ja uncool. Auf jedem Etikett steht immer so was wie „schmeckt nach Kaffee und Schokolade.“ Tatsächlich handelt es sich meist um das altbekannte Malzbier, aufgepimpt mit einer Alkoholinfusion und verdichtet mit allem was angeblich Bio ist und gerade so in Griffweite rumlag. Das Ergebnis ist ein zu viel von allem. Zu viel Malz/Kaffee/Schokolade…

Es klingelt. Jetzt schon? Der Handwerker wollte zwischen 15 und 16 Uhr hier aufschlagen. Es ist 14:35 Uhr. Kann ich bitte mal diesen Text fertigstellen?

Ich öffne die Tür und ein ziemlich genervter Heizungsfachmann mit rotem Kopf, kurzer Hose und Werkzeugkiste fordert  jetzt meine ganze Aufmerksamkeit. Er geht in die Küche, betrachtet Heizung und Therme, geht dann wortlos von der Küche ins Wohnzimmer, schaut dort auf die Heizung, kehrt zurück und schaut mich mit einem „Ätsch, ich weiß mehr als du-Blick“ an.

„Erstens: Die Heizung hat kein Wasser. Wenn kein Wasser da ist, kann auch nichts erhitzt werden.“

Hört sich logisch. Er öffnet die Klappe zum Bedienfeld der Gastherme, drückt ein paar Knöpfe und zeigt triumphierend auf eine Anzeige. Auf der Anzeige steht der Zeiger nahe bei null. Unter dem Zeiger steht bar. Also Druck. Wenig bar heißt offenbar, es befindet sich wenig Wasser in der Therme respektive Heizung. Den zweiten Punkt teilt er mir nicht mit. Er hat ein Anliegen.

„Haben Sie einen Schlauch?“

Wahrscheinlich wollte er sagen: Zweitens:…

„Einen Schlauch? Was für einen Schlauch?“

Ich zeige auf ein kurzes Stück Kunststoffschlauch, welcher zufällig griffbereit in einer Rolle Küchenpapier steht. Offenbar ist mein Angebot so dämlich, dass er erst mal die Augen verdrehen muss. Es sind heute sonnige 24 Grad Celsius in der gerade sportlich etwas prekär gewordenen Domstadt und er muss arbeiten. Bei Leuten, die keinen richtigen Schlauch zu Hause haben und deren Gastherme ungesunde Geräusche macht. Das kann schon etwas belasten. Augen auf bei der Berufswahl. Jetzt ist er noch viel mehr genervt.

„Einen Wasserschlauch.“

„Nein.“

„In jeder Wohnung hier gibt es einen Wasserschlauch!“

Klar gibt es in jeder Wohnung hier einen Schlauch. Zumindest einen in der Dusche. Er verdreht wieder die Augen. Der herbeigerufene, in Heizungsfragen bestimmt sehr kompetente Handwerker verlässt stampfig meine Wohnung, um aus seinem, nach eigenen Angaben weit entfernt geparktem Fahrzeug  einen Wasserschlauch zu holen.

Ich nutze die Pause im Wirken des Handwerkers und kehre eilig zum Schreibtisch zurück. Zurück zu meiner Hasstirade auf das neumodische Craft Beer. Genau, es schmeckt nach zu viel von allem. Ausnahme ist der Geschmack. Der brennt sich nicht so ein. Jedenfalls nicht im positiven Sinne. Stattdessen trinkt man diese alkoholisierte Malzmahlzeit und wundert sich dann über den pelzigen Geschmack in der Rachengegend. Letzte Woche habe ich ein Craft Beer probiert, welches im Mund das Aroma eines angekokelten Stückes Holz mit Nuancen von leicht schimmeligem Kaffeesatz und dunkler, garantiert zuckerfreier Bioschokolade vom Discounter verströmte. Mein Fazit zu dieser tollen Brauinnovation: Da kann ich ja gleich beim Grillen einen Ast in die Kohle halten, etwas  Rohrzucker draufstreuen und daran rumlutschen. Das ist günstiger, sieht aber zugegebenermaßen weniger cool aus.

Es rumpelt wieder im Treppenhaus. Der Heizungsfachmann ist schnaufend zurückgekehrt. Sein Kopf ist noch etwas rötlicher als vorhin. Die kurze Hose kann dem ganzen Fachmann nicht ausreichend Kühlung verschaffen. Er schließt den von dem abgelegen geparkten Fahrzeug herbeigeholten Wasserschlauch an den Wasserhahn in der Küche an, das andere Ende an die Heizung in der Küche, dreht den Wasserhahn auf, bis eine für ihn zufriedenstellende Wassermenge erreicht ist, löst dann den Schlauch von Hahn und Heizung, wobei Restwasser großzügig auf die Fliesen verteilt wird, drückt ein paar Tasten an der Gastherme und scheint mit dem Ergebnis zufrieden zu sein. Schnell kritzelt er was in Handwerkerschreibschrift auf seinen Heizungsfachmannstätigkeitsnachweisblock, lässt mich ein Autogramm geben und verschwindet.

Somit dürfte das Problem der im abgestellten Zustand klopfende Geräusche produzierenden Heizung hoffentlich erledigt sein. Ich wische das Wasser auf den Fliesen in der Küche auf und versuche erneut meinen Gedanken in Richtung der Ablehnung von selbstgepanschtem Bier Ausdruck zu verleihen.

Wo war ich? Richtig, der angenehme Geschmack nach angekokeltem Holz. Etwas wirklich positives  bei diesen ganzen neumodischen Beeren will ich aber nicht verschweigen.Denn die Etiketten auf den Flaschen sind meistens wirklich sehr kreativ gestaltet. Sehr viel Schwarz, viel braun und als Eyecatcher mittendrin oder am Rand ein nettes Motiv. Ein Halbmond in Silber, ein Einhorn auf der Flucht vor dem Einhornschlachter oder ein deprimierter Gartenzwerg in rot-weiß. Das Etikett soll so den erhöhten Preis im Vergleich zu den herkömmlichen Bieren rechtfertigen. Reicht aber nicht.

Übrigens ist das ganze Reinheitsgebot-Gelaber bei den althergebrachten Biersorten genauso nervig wir der Tanz um das Craft Beer. Zum Glück gibt es in unseren Breiten eine breite Auswahl belgischer Biere für sehr breite Abende mit Freunden. Kombiniert man diese gut trinkbaren belgischen Biere mit dem ungenießbaren holländischen Essen, kommt oft ein gelungener Abend dabei heraus. Womit ich keinesfalls dem unkontrolliertem Genuss von alkoholischen Getränken huldigen will. Ich trinke selten was. So selten, wie ich mit Handwerkern zu tun habe. Ach, schau an: Jetzt fängt gerade die Heizung wieder an zu gluckern. Dabei ist sie gar nicht angestellt. Ist ja viel zu warm heute. Das hört sich ein bisschen an, wie das körpereigene Verdauungssystem in dem Moment, in dem es mit Kroketten oder Frikandeln mit Zwiebeln plus visuell undefinierbarer Soße konfrontiert wird. So schließt sich der Kreislauf.