Draußen und in der Wohnung sind knapp 30 Grad. Ausnahme ist natürlich der Kühlschrank. Weil die Öffnungsklappe zum Eisfach defekt ist, vereist das Eisfach rasend schnell. Das hört sich jetzt nicht unbedingt wie ein Widerspruch an, ist es aber. Denn ein Eisfach sollte tiefkühlen und nicht eigenständig und vollständig vereisen. Dass das mal klar ist. Zudem herrschen im restlichen Bereich des Kühlschrankes dann auch arktische Bedingungen. Und das ist zu viel der Kühlung. Wenn ich tiefgefrorene Broccoli für das anstehende Abendessen aus dem Gefrierfach entnehmen will, muss ich zunächst mit Hammer und Meißel mehrere Kilo Eis entfernen, bevor die Tiefkühltüte mit dem grünen Gemüse zum Vorschein kommt. Beim letzten Freikloppen des Eisfaches habe ich auch noch eine Tüte mit Tiefkühl-Dill gefunden. Praktisch. Wer weiß, was noch alles zum Vorschein kommt wenn ich tiefer in die unerforschte Eislandschaft in der Küche vorstoße?
Die mühsam entfernten Eisbrocken habe ich zerkleinert und die Eismasse großzügig auf die Blumenkübel auf dem Balkon verteilt. Bei der Hitze freuen sich die Pflanzen bestimmt über etwas Kühlung. Hätte ich das Eis stattdessen für die Produktion einer mindestens zweistelligen Anzahl von Aperol Spritz genutzt, wären die Folgen in Anbetracht der Temperaturen allgemein und der alkoholischen Anteile im Speziellen bestimmt gravierend gewesen. Meine Nachbarn haben das plötzliche Eisaufkommen auf den Pflanzen meines Balkons leicht verwundert zur Kenntnis genommen.
Gravierend hat sich auch das Verhalten vieler Radfahrer in den letzten Wochen geändert. Es muss an der drückenden Hitze liegen. Jedenfalls wechseln immer mehr Radfahrer von den überfüllten Kölner Straßen auf die Gehwege und umkreisen dort die Fußgänger slalomtechnisch mit stoischer Ruhe bei hoher Geschwindigkeit. Offenbar hoffen sie auf schnelleres Fortkommen auf den autofreien und bisher auch meist fahrradfreien Bürgersteigen. Das geht nicht ganz ohne Komplikationen ab. Gestern wurde ich fast von einem Kind mit pinkfarbenem Fahrradhelm auf einem pinkfarbenen Rad angefahren. Bevor ich empört reagieren konnte musste ich schon wieder zur Seite springen, weil die Mutter des Kindes auf einem minzgrünen Rad auf dem Bürgersteig nachfolgte und ihrem vorausfahrendem Töchterchen zurief:
„Da vorne jetzt links Clarissa-Liebling. Aber nicht so schnell!“
Clarissa-Liebling war aber schon etwas weiter und hörte nicht. Pink und minzgrün sind nicht so meine Farben.
Nicht alle Verkehrsteilnehmer sind mit der Nutzung der Gehwege durch Nicht-Fußgänger einverstanden. Hin und wieder wird ein Pedalist vom Gehstock eines rüstigen Rentners, der sich in seiner Fortbewegung beeinträchtigt sieht, unsanft aus dem Sattel gehoben. Das sehr ungesund klingende Geräusch beim Auftreffen eines schwungvoll herabsausenden Geh- bzw. Schlagstocks aus Eiche auf einen bunten Fahrradhelm aus Plastik lässt darauf schließen, dass die Schutzfunktion des Helmes für diese Art Zusammenstöße nicht ausreichend ist. Es ist ein derbes Geräusch, wobei der erste Teil des Knackens seinen Ursprung im splitterndem Plastik hat und der folgende, etwas trockener klingende, wohl eher auf das Aufeinandertreffen von Holz und Knochen zurückzuführen ist. Es folgt der Verlust der Kontrolle über den Lenker, ein sehr kurze, oft in waghalsigen Schlangenlinien zurückgelegte Strecke und der Abflug über den Lenker mit der abrupten Beendigung der Fahrt durch Aufnahme eines unmittelbaren Kontaktes des Radelnden mit der harten Oberfläche des Gehwegs. Und danach folgt als erzieherische Maßnahme gelegentlich noch eine verbale Maßregelung durch den Stockschwinger. Den Rest macht dann der Notarzt, der sich über die Art der Verletzung ebenso wundert wie über die Holzsplitter am Unfallort. Obwohl weit und breit kein Baum in Sicht ist.
Wenn ich so darüber nachdenke sind mir in letzter Zeit einige Stockschwinger aufgefallen. Letzte Woche stand ein gehstockbewaffneter älterer Herr am oberen Ende der nahen U-Bahnstation. Er wollte gerade auf die Rolltreppe, als sich deren Laufrichtung änderte. Dies ist ein untrügliches Zeichen, dass gerade eine U-Bahn angekommen ist. Die auf der Rolltreppe aus dem Untergrund emporsteigenden Jugendlichen begrüßte er in keifigem Ton mit den Worten:
„Ihr könnt doch laufen! Ihr seid doch jung!“
Er unterstrich seine Aussage mit seinem bedrohlich erhobenem Gehstock. Dieser Anblick verursachte eine sofortige Gegenbewegung bei den im Umgang mit konfrontativ auftretenden Golden Agern unerfahrenen Jugendlichen. Die vorderen Reihen machten direkt panisch kehrt und liefen gegen die aktuelle Laufrichtung der Rolltreppe wieder zurück in die U-Bahnstation. Dies merkten die am unteren Ende der Lauftreppe apathisch auf ihr Handy starrenden Kinder zu spät und kam zu Gerangel, Zusammenstößen und versehentlich abgesandten Kurznachrichten. Der ältere Herr mit dem Gehstock hat dann übrigens mürrisch grummelnd die Treppe genommen. Weil er nicht warten wollte. Wie ich auch.
Wofür manche Menschen einen Stock aus Hartholz brauchen, schaffen Mütter mit Kinderwagen auch ohne Stock. Das Anschreien oder Ankreischen der Gehwegradler beim Entgegenkommen reicht völlig aus, um aus dem Radfahrer wieder einen Fußgänger zu machen. Jüngere Radfahrer und –Fahrerinnen zittern erst mal dann eingeschüchtert vor sich hin. Erwachsene, besonders radfahrende Frauen, lassen es dann aber gern mal auf ein lautstark geführtes Wortgefecht mit den empörten Gehsteig-Erziehungsberechtigteninnen ankommen. Untermalt vom Geschrei eines oder mehrerer Babys.
Ich umgehe solche Brennpunkte, indem ich weiträumig eine Bogen über die angrenzende Straße mache. Zu Fuß. Das geht auch mal.
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