Ich ziehe mal eben ein Fazit des Jahres 2018. Weil jetzt, in diesem Moment, alles so was von sonnenklar ist. 2018 wird als das Jahr mit dem superheißen Sommer in die Geschichte eingehen. Und das Jahr, in dem alle Welt die wieder hochmodischen, aber geschmacklich abscheulichen Brillen aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts aufträgt, weibliche Füße durch Birkenstockschlappen in Gold, Silber oder Kupferfarben verunziert werden und als Krönung hellpinke Plastikfußnägel auf die schon verhunzten Originalfußnägel geklebt werden. Diesen Eindruck könnte ein außerirdischer Besucher beim Aufenthalt in einem Kölner Freibad im Sommer 2018 bekommen.

Aber halt. Man, also ich, darf nicht alles schlecht reden. Positiv denken und schreiben, dann freut sich die LeserInnenschaft. Habe ich das richtig ausgedrückt? Ihr werdet es mir mitteilen. Die gute Nachricht zuerst: in diesem Freibad säuft niemand ab. Überall sehe ich aufgepumpte Bizepse, zum Bersten gefüllte Schlauchbootlippen, Oberweiten und Hinterteile, die gut gefüllt mit Kunststoffschwimmhilfen ihrem Einsatz als Auftriebhilfe im Schwimmbecken entgegensehen. Da wird der Bademeister nicht viel zu tun kriegen. Dabei sehen viele nicht danach aus, als ob sie schwimmen könnten. Posen dafür umso besser. Im Freibad scheint dick aufgetragener roter Lippenstift lebenswichtig zu sein. Direkt danach kommen aufgeklebte Wimpern und großflächige Tattoos, die in wenigen Jahren bestimmt heftig an Schärfe verlieren werden und dann visuell wie spontane Zeichnungen eines fiebrigen Dreijährigen mit Kohlestiften auf Löschpapier erscheinen. Moment, gerade lief eine junge Frau vorbei, die das Wort Bekif und ein verschnörkeltes Herz auf dem Unterarm tätowiert hatte!? Tatsächlich. Bekif wird offenbar geliebt. Das ist gut. Diese Welt braucht mehr Liebe.

Mehr Bekiff gibt es weiter hinter, da wo der Rasen noch etwas grüner und die Straße etwas näher ist. Dort liegt eine Gruppe Jungs und Mädels, die ich heute Morgen schon mal gesehen habe. Ich bin an ihnen vorbei gejoggt. Sie standen rauchend um einen Laster rum und schwitzten. Da sah ein bisschen wie Umzugshelfer ohne Motivation aus, aber ich will aus dieser Momentaufnahme keine voreiligen Schlüsse ziehen.

Jetzt jedenfalls reichen sie ununterbrochen untereinander Joints rum. Diese kiffenden Freibadnichtschwimmer sind so dicht, dass sie trotz Hitze teilweise noch ihre Jacken anhaben. Bis auf einen Typen, der bis auf seine Unterhose und alte Chucks nackt ist. Als ich ihn vor einer guten Stunde zum ersten Mal vorbeischlurfen sah, war seine Haut noch mozzarellafarben. Jetzt haben die Rottöne die Oberhand gewonnen. Mindestens für die kommenden drei Tage.

Auf der Mauer sitzen ein paar breite Fitnesstudiodauerbewohner und versuchen lässig und cool auszusehen und dabei die sonnenden Mädels vor ihnen auf sich aufmerksam zu machen. Ich durchkreuze ihren Plan, indem ich eine große Pommes mit Mayo hole, damit zu den Mädels schlendere und rufe:

„Ihr seid knusprig, aber zu schmal. Ich werde euch retten.“

Großes Gekicher. Ich verteile ein paar Pommes an die bedürftigen Bikiniträgerinnen und die breiten und bärtigen Jungs schauen doof aus der Wäsche. So läuft das im Sommer 2018.

Ich mag Besuche im Freibad. Wenn erst mal der Kassenbereich mit den dumpf blickenden Hitzegeschädigten passiert und ein schönes Plätzchen im Schatten auf der Liegewiese gefunden ist, kann nichts mehr schiefgehen. Okay, die ersten Schritte in das gefühlt eiskalte Wasser kosten etwas Überwindung, aber diese kann man durch einen beherzten Sprung ins kühle Nass überwinden. Die Überwindung der Überwindung. Das könnte eine Freibad-Tautologie sein. Aber diese sprachlichen Fragen überlasse ich lieber den Sprachwissenschaftlern.

Oh, eine große Wasserrutsche! Schnell hin, die Treppe hoch und…ist das voll hier oben! Ich muss erst mal ein paar der zahlreichen zögernden Kreischkinder hinunterschubsen, bevor ich selber reichlich Platz zum Runterrutschen habe. Das habe ich ewig nicht mehr gemacht. Fhhhhhh – Platsch! Wie geil. Okay, ich habe etwas Wasser geschluckt und meine Brille ging kurzfristig auf Tauchstation, aber das macht richtig Spaß. Gleich nochmal. Ich schleiche wieder nach oben. Die Aussicht ist klasse. Hier haben viele Menschen viel Spaß. Dazu will ich auch was beitragen. Diesmal gelingt es mir, insgesamt acht Wasserrutschenwillige, Kinder, deren Mütter und andere Unvorsichtige mit auf die breite Rutsche zu locken und sie runter zu bugsieren. Großes Gekreische vor dem großen Platsch ins 1,20 Meter tiefe Wasserbecken. Jetzt schnell weg bevor jemand vom Aufsichtspersonal aufkreuzt…

2018 ist also sehr heiß und trocken und sollte folglich größtenteils in Freibädern zugebracht werden. Wichtig, schon vorher mit Sonnencreme eincremen, genug trinken, zur Entspannung ein Buch dabei haben und ausgiebig lesen, zwischendurch etwas schlafen und den jungen Sonnenanbeterinnen im Bikini beim Yoga auf dem Badetuch zusehen. Wenn sich deren Gliedmaßen unbeabsichtigt verknoten sollten, bitte sofort Hilfe leisten. Ein kaltes Radler unterstützt die Urlaubsstimmung. Ansonsten zwischen den Gängen ins Schwimmbecken nicht zu viel essen und vor dem Sprung vom Zehner die Badeschlappen ausziehen. Sieht sonst doof aus, wenn nach dem großen Platscher noch zwei Kleinere nachfolgen. Und dann kann  man schön in fünf Metern Tiefe nach den Schlappen rumsuchen. Schönen Tag noch.