Das war ja klar. Gefrühstückt, aufgeräumt, alles soll sich ein bisschen Sonntagmorgenlangweilig anfühlen und dann verirrt sich ein Stückchen Zahnpasta auf den dunkelblauen Pulli. Jetzt kann ich wieder warten, bis die ersten konzentrierten und dann hoffentlich auch inspirierten Momente eintreffen. Bis dahin ärgere ich mich erst mal über den Zahnpastafleck. Sobald ich den Kopf auch nur leicht senke, taucht am unteren Rand des Sichtfeldes verschwommen der weiße Fleck auf. Und dann wandert der Blick wie automatisch auf die weiße Fläche und fokussiert sich darauf. Da könnte ich mir gleich ein großes Schild auf den Schreibtisch stellen. Aufschrift: Denken sie jetzt nicht an den prominenten, sehr gut sichtbaren Zahnpastaflecken auf dem Pulli.
Außerdem bin ich etwas müde und gähne vor mich hin. Dabei sollte ich stundenmäßig genug geschlafen haben. Und der Mokkka/Espresso aus der Kanne wirkt heute auch nicht so belebend herzkaspernd wie üblich. Dabei habe ich heute noch ein paar Zeilen vor mir. Habe ich mich gestern, beim Malen mit Ölfarben kreativ so verausgabt, dass heute eine Nachkreativitätshänger folgt?
Mein Blick fällt wieder auf den befleckten Pulli. Wobei, ist das ein Pulli oder eher ein Sweater? Ich gehöre zu den Menschen, die hin und wieder unter Pseudonym oder anonym kompetent über Mode und Klamotten schreiben, eigentlich aber bereits an der Frage Pulli oder Sweater?, scheitern. Oder solche Fragen einfach nicht für relevant genug für eine Antwort halten. Aber es ist beruhigend, dass das im Alltag keine Rolle spielt. Das ist wie bei den unzähligen Mode/Lifestyle/Fashionblogs. Da tragen, angeblich sehr stylische, junge Menschen lächelnd Kleidung aus dem Second Hand Laden auf, lächeln dazu ganz viel mit ihren stark geschminkten Lippen oder präsentieren handgedrechselte Tattoos und die auch hippe Fangemeinde freut sich ein Like in die Tastatur.
Übrigens ist Sweater die Abkürzung von Sweatshirt, also Schweißshirt. Wenn sie bei C&A fragen, wo denn hier die Schweißshirts ausliegen, werden zumindest die jüngeren Einzelhandelskaufleute/-Innen und die Aushilfsmodefachverkäuferinnen sparsam gucken. Wie regelmäßige Leser wissen, bin ich nur selten in Sachen Kleidungskauf unterwegs und dann auch nur mit kompetenter Begleitung.
Es gibt auch positives zu berichten: Was das schreiben heute begünstigt, ist die aktuelle Wetterentwicklung. Gestern war ja gefühlt ein Herbsttag. Kühlere Temperaturen verhindern ein Festschwitzen am Schreibtisch und begünstigen gleichzeitig den kreativen Fluss vom Gehirn über die Hände in die Tastatur. Heute Morgen scheint die Sonne wieder durchdringend auf meinen Schreibtisch. Ich werde geblendet, muss die Jalousie runterziehen und sitze folglich jetzt entweder im Dreivierteldunkeln (wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt) oder im jalousieentschärften Sonnenschein.
Es folgt der Lesetipp für Feingeister: Gestern habe ich mit Begeisterung in einem sehr schönen Buch geschmökert. Es heißt Coolness. Über Miles Davis. Schön ist das Buch, weil die verwandte Schriftart, sie heißt Stempel Garamond, der Aufbau des Textes, die Kapitel heißen z.B. Cool sein, Abweisen, Reden usw., wirklich sehr gelungen sind. Der Text ist unterhaltsam und erzählt anekdotenartig aus Miles Davis Leben. Keine wirkliche Biographie, kein Must read, aber unterhaltsam auf sehr schöne Art. Ich habe mir dazu passend die wunderbare Kind of Blue angehört. Und wie jedes Mal, bei jedem zuhören entdecke ich neue Details in den Arrangements. Kind of Blue, diese Beschreibung trifft auch gut auf ein gewisses Kleidungsstück zu. Welches ich gleich ausziehen werde.
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