Es gibt wenig unerforschte Gebiete. Nein, das ist nicht korrekt. Es gibt viele unerforschte Gebiete. Ein Großteil der Weltmeere ist unerforscht. Man weiß nur, dass da draußen ein paar tausend unbekannte Tierarten leben und noch viel mehr Plastikmüll rumschwimmt. Die meisten der unbekannten Tierarten werden aussterben, bevor sie entdeckt werden können. Das Plastik vermehrt sich hingegen ungebremst. Aber zurück zu den unerforschten Gebieten. Dazu gehören die der Erde abgewandte dunkle Seite des Mondes und die unerforschtesten Gebiete überhaupt: Die abgewandte Seite des Weihnachtsbaumes. Da, wo sich nur sehr selten eine Weihnachtsbaumkugel im freien Fall hin verirrt und keine Lichterkette die nicht vorhandenen Blätter des Nadelbaumes erleuchtet. Früher wurde der Weihnachtsbaum beim Schmücken gedreht, damit alle Äste gleichmäßig mit Lametta behangen werden konnten und gleichmäßig mit Blei vergiftet wurden. Das ist lange vorbei. Seit das gute Bleilametta verboten ist, werden Nadelbäume nur noch im sichtbaren Bereich geschmückt. Deshalb stehen viele Weihnachtsbäume auch so schief und nadeln sehr ungleichmäßig.
Darüber habe ich mir früher nie Gedanken gemacht. Aber während ich hier auf diesem bequemen Sofa sitze, den Duft des leckeren Kaffees rieche und durch die Scheiben des Cafés auf das Meer schaue, kommen mir alle möglichen ungewöhnlichen Gedanken in den Sinn. Eigentlich kommen mir diese Gedanken erst, seit ich vor einer halben Stunde diese Frikandel mit Pommes und Mayonnaise gegessen habe. Frikandel, das ist Resteverwertung auf die geschmacklich übelste Art. Seit es holländische Frikandeln gibt, gibt es auch belgisches Bier um den Geschmack des frittierten Resteschwengels zu übertünchen. Deshalb raten Mediziner vom Genuss von Frikandeln und sonstigem holländischem Essen ab und dem sofortigen Genuss von belgischem Bier zu. Das sei zwar nicht unbedingt gesünder, wirke aber insgesamt deutlich lebensverlängernd.
Ich will aber jetzt keinen Alkohol trinken. Es ist heller Tag und es liegt noch ein mindestens anderthalbstündiger Spaziergang am Strand entlang vor mir und meiner Begleitung. Außerdem merke ich gewisse Umstellungsschwierigkeiten bei mir. Vom Urlaub zur Arbeit und zurück.
Gestern hatte ich einen beruflichen Termin in Mailand. Den beruflichen Teil am Vormittag habe ich tiefenentspannt und ohne Anstrengung absolviert. Der Urlaub wirkt nach. Am Nachmittag ging es zu einer Besprechung zu einem Kunden, einen Herrenausstatter. Ohne Nachzudenken habe ich mir im Gespräch genussvoll eine Zigarre angezündet. Da der Rauchmelder direkt über mir hing, ging der Feueralarm los und sämtliche Teilnehmer der Besprechung plus Kunden und sonstige Mitarbeiter flüchteten aus dem Laden. Das ist hier nicht ungewöhnlich, gerade bei Meinungsverschiedenheiten. Die gab es aber gar nicht. Deshalb habe ich bis zum mittleren Abschnitt der Zigarre gebraucht um zu verstehen, was ich angerichtet habe. Als die Feuerwehrleute in Schutzkleidung und mit angelegten Atemschutzmasken den Raum betraten, wusste ich Bescheid. Die Feuerwehrleute waren aber sehr nett. Ein Fehlalarm aufgrund wohlriechendem Zigarrenrauch wäre eine schöne Abwechslung im Feuerwehrmannalltag. Das sagte mir Luigi, der Einsatzleiter und inhalierte dann ohne Atemmaske den Zigarrenrauch im Raum komplett weg. Er erzählte, dass vor ein paar Tagen der Geruch eines Schäferhundes den Feueralarm im Notfallbereich eines Krankenhauses ausgelöst habe. Angeblich. Als sie mit dem Feuerlöschzug eintrafen war die Verwirrung groß. Der Hund roch nach Hund, aber nicht feucht. Also normal. Der Hundebesitzer roch aber wirklich sehr deutlich nach feuchtem Hundefell. Der Hund folgte seinem Herrchen auch nur sehr widerwillig und habe dauernd gewinselt. Für den erfahrenen Brandbekämpfer ein Zeichen, dass der Feuermelder durch den üblen Geruch des vermutlich auf feuchten Hundedecken nächtigenden Hundebesitzers ansprang. Fehlalarme würden eben vorkommen. Immerhin brenne es dann nicht und es gebe keine Gefahr. Zumindest keine durch Feuer. Er nahm noch eine Nase voll Zigarrenqualm und verabschiedete sich dann sehr höflich. So sind sie, die nicht rauchenden Brandbekämpfer.
Jetzt habe ich doch tatsächlich den Geruch von feuchtem Hundefell in der Nase. Vor wenigen Sekunden ist ein Pärchen mit zwei Hunden reingekommen und hat sich am Tisch nebenan niedergelassen. Das Pärchen gegenüber sitzend am Tisch, die Hunde liegend unter dem Tisch. Jetzt wabert der sehr strenge Hundegeruch von rechts und rechts unten zu uns rüber. Und schon gibt mir meine zauberhafte Begleitung durch das Zuhalten ihrer Nase ein Zeichen zum Aufbruch und zur Rückkehr an die frische Seeluft. Besser ist das.
Obwohl ich den Gedanken mit der abgewandten Mond- und Weihnachtsbaumseite gerne wieder aufgenommen und fortgeführt hätte. Ich sehe schon die Schlagzeile vor mir:
Erste erfolgreiche Landung auf der dunklen Seite des Weihnachtsbaumes!
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