„Das ist nicht dein Ernst. Au fromage ist alles, was du dir behalten hast? Mit Käse?“
„Mann Karl, entspann dich. Ich kann auch noch Baguette, Jeanette, Clodette und einiges mehr. Ich spreche in meinem Alltag nun mal kein Französisch.
„Und wenn, dann ist es dieses gespielte, nein nicht gespielt, wie sagt man…?“
„Du meinst so was wie Àllo, isch bin Jean-Trä? Das ist doch nicht ernst gemeint. Das ist ein Stilmittel. So wie dein ganzes Outfit ein Stilmittel ist.“
„Das ist Stil, nicht Stilmittel. Das ist so deutsch, dieses Unverständnis für so grundlegende Unterschiede. Warum sehe ich dich heute seit über zehn Jahren glattrasiert? Du hattest immer einen Bart. Das war dein Stil. Mon dieu.“
„Es fühlte ich sich einfach richtig an. Der Bart musste mal weg. Du kannst deinen Stil definieren. Es ist Teil deiner Inszenierung. Ich mache mir selten Gedanken darüber, was mein Stil eigentlich ist.“
„Das solltest du aber. Stil muss nicht immer praktisch sein. Praktisch ist auch so ein verabscheuungswürdiges Wort. Jogginghosen sind praktisch. Widerlich, widerlich.“
Er verzieht das Gesicht.
„Immer den Ball etwas flach halten, bitteschön.“
Er verzieht wieder das Gesicht.
„Moment, nein. Ich entschuldige mich in aller Form für diese Redewendung aus dem Sport. Nicht jeder hat ein paar Assistenten zu Hause, die einem Morgens die Klamotten rauslegen und dann noch die Haare eine Stunde lang kämmen bis sie vorzeigbar sind.“
Seine beiden Assistenten am Nachbartisch gucken pikiert zu mir rüber.
„Ich bin viel unterwegs, habe sehr viel zu tun und habe keine Zeit zu verlieren mit irgendwelchem Alltagskram.“
Er verschränkt die Arme vor der Brust.
„Das weiß ich. Deshalb die vielen Wohnungen, die vielen Bücher.“
„Ich schaue mir die Bücher auch an! Du hast selber ein halbes Regal voll mit ungelesenen Büchern.“
„Karl, ich kaufe mir selten mehr als ein Buch auf einmal in der Buchhandlung. Und es gibt genau ein Fach mit Büchern im Regal, die noch darauf warten gelesen zu werden. Sich ein Buch anzuschauen ist was anderes als es zu lesen. Bücher sind eher Deko bei dir.“
„Dekoration, noch so ein schlimmes deutsches Wort. Schöne Bücher können natürlich einen Raum verschönern. Aber vor allem der Geist labt sich an schönen Büchern, an deren Inhalt, die Haptik des Papiers…“
„Die Schrift, die Schriftart, das stimmt. Aber geht das nicht unter bei so einer Masse?“
„Es ist einfach schön, egal wo ich bin, etwas neues in die Hand nehmen zu können.“
Die Kellnerin bringt ihm die dritte Cola light und guckt ihn wie schon bei den ersten beiden Gläsern mit großen Augen an. Ist er es? Soll ich ihn ansprechen? Sie tut es nicht.
„Wieso trinkst du immer noch diesen Scheiß? Das ist ungesunder Mist.“
Er nippt an dem Glas, sagt aber nichts. Dann kommt ein Themenwechsel.
„Dieses hässliche Gebäude auf der linken Seite vorhin, war das die Oper? Wird da gespielt? Da stehen immer noch diese Bauzäune rum. Das war doch schon beim vorletzten mal so.“
Er blickt mich fragend an. Das ist selbst durch die schwarz getönte Brille zu erkennen.
„Das soll mal eine Oper werden. Eine der vielen endlosen Geschichten in dieser Stadt.“
Er blickt auf die Straße. Auto reiht sich an Auto.
„Warum lebt ihr noch hier? Das ist doch grässlich hier. Selbst Paris ist in vielen Teilen grau. Aber es lebt. Und die Menschen lieben es.“
„Viele Menschen lieben auch Köln, trotz dieser Defizite. Oder vielleicht sogar wegen dieser Defizite.“
Das zu erklären würde jetzt zu weit führen. Eine Frau mit riesiger Sonnenbrille und einer Mappe unter dem Arm kommt durch die Eingangstür. Sie zeigt auf die Uhr auf ihrem Handgelenk. Karl nickt kaum merklich. Der Lärm der Straße erfüllt das kleine Café. Sofort reden die Besucher etwas lauter. Die meisten reden und schauen Karl dabei an.
„Wir müssen wieder los.“
Er nippt noch mal an der Cola.
„Pass auf dich auf.“
„Dito. Schalt mal zurück. Du hast gute Leute um dich herum.“
Er nickt und schaut ein paar lange Sekunden lang durch das Fenster auf die Straße. Dann steht er auf, lächelt mich an und sagt:
„Das ist schon ok so. Es hat Spaß gemacht.“
Sagt es, winkt mir mit einer behandschuhten Hand zu und geht durch die Tür zum Auto. Die Frau mit Sonnenbrille schließt hinter ihm die Tür und das Auto fährt los.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.