Das geht ja gar nicht. Erst reduziert diese Backwerkimitatkette die Füllmengen bei allen Kaffeegetränken, nicht aber deren Preise, also erhöht im Endeffekt die Preise massiv, und dann läuft auch noch ein Silberfischchen beim Einfüllen von etwas Zucker in den halbvollen Kaffeebecher ganz entspannt über den Tisch. Und der Analogkäse auf den Käsebrötchen ist auch viel zu hell. Normalerweise ist das Käseimitat braunschwarz angekokelt und knackt so richtig beim Reinbeißen. Die Schokoladen im Supermarkt wiegen plötzlich 82,75 Gramm anstatt 100 Gramm und kosten so viel wie früher 150 Gramm. Und schmecken wie 75 Gramm, die ihr Mindesthaltbarkeitsdatum deutlich überschritten haben. Das ist nicht gut. Das ist alles nicht mehr wie früher. Also so wie vor ein paar Monaten. Nur Katastrophen. Davon berichteten auch zwei junge Frauen, die vorhin in der U-Bahn neben mir saßen.
Sie unterhielten sich angeregt über Gesundheitsthemen. Über einen richtigen und sehr schlimmen Notfall. Die eine Frau hat wohl eine gute Bekannte, die kürzlich per Notarzt ins nahe gelegene Krankenhaus verfrachtet werden musste. Sie hatte sich schon den ganzen Tag unwohl gefühlt. Am Abend war ihre beste Freundin zu Besuch, der sie ihr Leid schilderte. Die Freundin sah das Übel sofort. Und die Diagnose traf die Patienten hart: Mehrfache Lidschattenfraktur. An diesem Punkt reagierte die Andere, die zuhörende junge Frau in der U-Bahn regelrecht schockiert. Damit sei nicht zu spaßen. Das sagte zuvor der lidschattenfrakturierten Bekannten auch schon ein ambulant praktizierender Kosmetiker, den sie telefonisch um eine Ferndiagnose gebeten hatte.
Nun ist die mehrfache Lidschattenfraktur ja neben dem feistem und unkontrolliertem Stuhlgang nach ausufernden Grillfesten (bei Männern zumindest) eine der bedeutendsten Trendkrankheiten in unserer Gesellschaft. Also ab ins Krankenhaus. Und was ging da ab? Keine Hilfe, nix, sagte die empörte junge Frau. Der Chefarzt der Notaufnahme sah das alles ganz anders und schickte die schwer verletzte Bekannte nämlich postwendend nach Hause. Wie sie wegen so einem Scheiß hier auftauchen könne, hat er wohl gesagt. Eine vertane Chance. Hätte er mal gesagt, Oh, da müssen wir sofort operieren und sie dürfen sich danach nie wieder schminken, weil sonst ein Rückfall mit Daueraufenthalt im Lidschatten droht. Dann werden sie nie wieder braun im Gesicht. Irgendwie so was. Dann hätte vielleicht ein Heilungsprozess eingesetzt. Zwischen den Ohren. Ich wiederhole mich gern, eine vertane Chance.
Dann habe ich etwas getan, was ich sonst nie tue. Ich habe mich in das Gespräch eingemischt. Ich fragte die berichtende Frau, ob es auch Lidschattenmanufakturen gäbe. Dort müssten dann doch auch Lidschattenfrakturen geheilt oder mit Stahlstützen oder ähnlichem Gerät wieder in den Ursprungszustand versetzt werden können. Ich wurde Zeuge, wie die beiden intensiv über das Wort Lidschattenmanufaktur nachdachten. Dann reagierten sie abweisend und kühl auf meinen Einwurf. Stattdessen kam der Satz:
„Ey, misch disch nischt ein.“
Ich sagte:
„Die Wortendung –isch lässt auf eine schwere sprachliche Fraktur schließen. Ist aber heilbar.“
Und verließ die U-Bahn.
So, und jetzt lege ich mich wieder hin. Der Arzt hat gesagt liegen oder laufen, L & L, das entlastet den schmerzenden Rücken. Sitzen auf einem Bürostuhl, und sei er auch noch so orthopädisch herausragend, ist nicht gut. Sitzen ist ja das neue Rauchen. Diesen Satz muss mal ein Mensch der höchsten Pflegestufe im Delirium kreiert haben. Alternativen wären Fleisch essen ist das neue Rauchen oder Leben im Jetzt ist wie rumliegen im Park. Darüber werde ich demnächst mal nachdenken.
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